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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Licht aus dem Gang erhellte den Raum kaum, doch Chyna konnte gut genug sehen, um Laura zu erkennen; das Mädchen lag bäuchlings auf dem schmalen Bett, in ein Laken gehüllt; nur ihre kleinen nackten Füße und ihr blondes Haar waren zu sehen.
    Eindringlich den Namen ihrer Freundin flüsternd, trat Chyna neben das Bett und sank auf die Knie.
    Laura antwortete nicht. Sie war noch immer bewußtlos. Chyna konnte das Mädchen nicht hochheben, konnte es nicht tragen, wie der Mörder es getan hatte, also mußte sie versuchen, es statt dessen zu wecken. Sie schlug eine Ecke des Lakens zurück und sah ihrer Freundin in die Augen.
    Die Augen waren jetzt saphirblau, nicht mehr himmelblau, vielleicht, weil das Licht hier so schlecht war, oder vielleicht, weil der Tod sie verschleiert hatte. Ihr Mund war geöffnet, und Blut befeuchtete ihre Lippen.
    Das wahnsinnige, verdammte, verhaßte Arschloch hatte sie mitgenommen, obwohl sie tot war, aus welchem Grund auch immer, vielleicht, weil er sie anfassen und ansehen und noch ein paar Tage lang zu ihr sprechen wollte, um sich an seine ruhmreiche Tat zu erinnern. Ein Andenken.
    Chynas Magen verkrampfte sich schmerzhaft – nicht vor Abscheu oder Ekel, sondern durch das Gefühl der Schuld, des Scheiterns, der Vergeblichkeit und schierer, schwarzer Verzweiflung.
    »Oh, Baby«, sagte sie zu dem toten Mädchen. »Oh, Baby, Schatz, es tut mir so leid, so leid.«
    Nicht, daß sie mehr hätte tun können, als sie versucht hatte.
    Was hätte sie tun können? Sie hätte den Mistkerl nicht mit bloßen Händen angreifen können, als sie im Korridor des ersten Stocks hinter ihm gestanden und er zu der baumelnden Spinne gesprochen hatte. Sie hätte nicht schneller in die Küche gehen, ein Messer suchen und wieder hinaufgehen können. »Es tut mir so leid.«
    Dieses wunderschöne Mädchen, diese liebe Frau, würde nun nie den Ehemann finden, von dem sie geträumt hatte, nie die Kinder haben, welche die Welt verbessert hätten, ganz einfach, weil es ihre Kinder gewesen wären. Dreiundzwanzig Jahre hatte sie sich darauf vorbereitet, einen Beitrag zu leisten, einen Unterschied im Leben anderer auszumachen, so voller Ideale und Hoffnung: Nun konnte sie sich der Welt nicht mehr zum Geschenk machen, und die Welt war unermeßlich ärmer. »Ich habe dich gern, Laura. Wir alle haben dich gern.« Alle Worte, jedes Mitgefühl, jeder Ausdruck der Trauer war schrecklich unzureichend; schlimmer als unzureichend – bedeutungslos. Laura war tot, all die Wärme und Freundlichkeit waren für ewig verloren, und selbst die im tiefsten Herzen empfundenen Worte blieben doch nur Worte.
    Chynas Magen verkrampfte sich angesichts des Verlusts, zog sich fest zusammen und zerrte sie unerbittlich in ein schwarzes Loch in ihrem eigenen Körper.
    Gleichzeitig spürte sie, daß in ihrer Brust ein Schluchzen anschwoll, das zu einer Explosion werden würde, wenn sie es frei herausließe. Eine einzige Träne würde eine Flutwelle auslösen.
    Ein leiser Schluchzer würde in unbeherrschbares Heulen übergehen.
    Sie konnte sich keine Trauer leisten. Nicht, solange sie in dem Wohnmobil war. Der Mörder würde jeden Augenblick zurückkehren, und sie konnte erst um Laura trauern, wenn sie unbeschadet hier heraus und er fort war. Sie hatte keinen Grund zum Bleiben, denn Laura war unbestreitbar und endgültig tot.
    In der Nähe wurde eine Tür zugeschlagen, und die dünnen Metallwände um Chyna vibrierten.
    Der Mörder war zurück.
    Etwas klapperte. Klapperte.
    Mit dem Fleischermesser in der Hand trat Chyna schnell von Laura zurück an die Wand neben der offenen Tür. Unterdrückte Trauer war ein hochwertiger Brennstoff für Zorn, und von einem Augenblick zum anderen brannte sie vor Wut, in dem Bedürfnis, ihn zu verletzen, mit dem Messer auf ihn loszugehen, seine Eingeweide auf dem Boden zu verteilen, ihn schreien zu hören und ihm die eigene Sterblichkeit vor Augen zu führen, so wie er sie Laura vor Augen geführt hatte. Er wird hier hereinkommen. Ich werde ihn erstechen. Er  wird kommen, und ich werde ihn erstechen. Es war ein Gebet, kein Plan. Er wird kommen. Ich werde ihn erstechen. Er wird  kommen. Ich werde ihn erstechen.
    Der schattenhafte Raum wurde noch dunkler. Er war an der Tür, blockierte das spärliche Licht, das vom Gang hereinfiel. Leise zuckte das Messer in ihrer Hand wütend auf und ab wie die Nadel einer Nähmaschine, stach das Muster ihrer Furcht in die Luft.
    Er stand auf der Schwelle. Direkt vor ihr. Direkt vor

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