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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Kamm, eine Haarbürste mit Schildpattgriff, eine halbvolle Tube KY-Gel, eine volle Flasche Hautlotion mit Aloe vera, eine kleine spitze Zange mit gelben Gummigriffen und eine Schere.
    Bei einigen dieser Gegenstände konnte sie sich vorstellen, wozu er sie benutzt hatte, und bei anderen wollte sie gar nicht darüber nachdenken. Einige der Frauen, die er in diesen Raum gebracht hatte, hatten zweifellos noch gelebt, als er sie auf das Bett gelegt hatte.
    Sie prüfte die Schere. Aber das Fleischermesser würde wirksamer sein, wenn sie es einsetzen mußte.
    In der unteren Schublade befand sich ein Behälter aus Hartplastik, der wie ein Kästchen für Angelzubehör aussah. Als sie ihn öffnete, fand sie ein komplettes Nähset mit zahlreichen Fadenspulen in allen möglichen Farben, einem Nadelkissen, einem Päckchen Nadeln, einem Einfädler, einer umfangreichen Auswahl an Knöpfen und anderem Zubehör. Nichts davon konnte ihr hilfreich sein, und sie legte alles zurück.
    Als sie sich wieder von den Knien erhob, stellte sie fest, daß das Fenster über dem Bett mit einem fest an die Wand geschraubten Sperrholzbrett bedeckt war. Faltiger blauer Stoff quoll zwischen dem Sperrholz und dem Fensterrahmen hervor: der Saum eines dahinter eingeklemmten Vorhangs.
    Von außen mußte es den Anschein haben, als sei das Fenster lediglich von einem Vorhang bedeckt. Und sollte jemand in diesem Raum das Glück haben, sich von seinen Fesseln befreien zu können, würde es ihm nicht gelingen, das Fenster zu öffnen und andere Autofahrer zu Hilfe zu rufen.
    Da sich ansonsten kein Möbelstück in dem kleinen Schlafzimmer befand, konnte Chyna nur noch darauf hoffen, in dem Schrank eine Pistole oder etwas anderes zu finden, das sich als Waffe benutzen ließ. Sie ging um das Bett zu der Falttür aus Vinyl, die in einer Schiene unter der Decke aufgehängt war.
    Als sie die Tür zur Seite schob, faltete sie sich nach links zusammen, und in dem Schrank war ein Toter.
    Der Schock ließ Chyna gegen das Bett taumeln, die Matratze traf ihre Kniekehlen. Sie wäre fast auf Laura gestürzt, behielt zwar das Gleichgewicht, ließ aber das Messer fallen.
    Die Rückwand des Schranks war wohl umgebaut und mit verschweißten Stahlplatten versehen worden, die durch den Rahmen des Fahrzeugs zusätzlich Stabilität erhielten. Zwei Ringbolzen waren weit voneinander entfernt und ziemlich hoch in den Stahl geschraubt. Die Handgelenke des Toten waren mit Handschellen an die Bolzen gefesselt, und er hing mit gespreizten Armen da, als wäre er gekreuzigt worden. Seine Füße lagen aufeinander, wie die Füße Christi am Kreuz – aber nicht angenagelt, sondern an einen weiteren Ringbolzen im Boden des Schranks gefesselt.
    Er war jung – siebzehn, achtzehn, bestimmt noch keine zwanzig, und trug nur eine weiße Baumwollunterhose. Sein schlanker, bleicher Körper war schwer geschunden worden. Sein Kopf hing nicht auf die Brust hinab, sondern war zur Seite gelegt, und seine linke Schläfe ruhte auf dem Bizeps des gehobenen linken Arms. Er hatte dichtes, lockiges schwarzes Haar. Seine Lider waren mit grünem Faden zugenäht worden. Zwei Knöpfe über seiner Oberlippe waren mit gelbem Faden an zwei entsprechenden Knöpfen direkt unter seiner Unterlippe befestigt.
    Chyna hörte, daß sie zu Gott sprach. Ein unzusammenhängendes, flehentliches Plappern. Sie biß die Zähne zusammen und schluckte die Worte herunter, obwohl es unwahrscheinlich war, daß man ihre Stimme beim Dröhnen des Motors und dem Brummen der großen Reifen im Fahrerhaus ausmachen konnte.
    Sie zog die Falttür wieder zu. Obwohl sie ziemlich dünn war, ging sie so schwer wie die Tür eines Tresorraums. Als das Magnetschloß zuschnappte, klang es, als hätte sie jemandem einen Knochen gebrochen.
    In keinem Lehrbuch, das sie je gelesen hatte, hatte eine Fallstudie soziopathischer Gewalt jemals eine so lebhafte Beschreibung eines Verbrechens enthalten, daß sie sich in eine Ecke zurückziehen und auf den Boden setzen und die Knie an die Brust ziehen und sie umschlingen wollte. Das war genau das, was sie jetzt tat – und sie suchte sich die Ecke aus, die vom Schrank am weitesten entfernt war.
    Sie mußte sich schnell wieder zusammenreißen, angefangen bei ihrer manischen Atmung. Sie schnappte geradezu nach Luft, sog die Lungen damit voll und schien trotzdem nicht genug davon zu bekommen. Je tiefer und schneller sie einatmete, desto benommener wurde sie. Der Rand ihres Sehfeldes verdunkelte sich mehr und mehr, bis

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