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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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allzu bekannte Verzweiflung zu stürzen.
    Seit langer Zeit, vielleicht schon seit dem stürmischen Abend an ihrem achten Geburtstag und dem rasenden PalmettoKakerlak, wußte sie, daß man auch die Entscheidung treffen konnte, ein Opfer zu sein. Als Kind war sie nicht imstande gewesen, diese Einsicht in Worte zu kleiden, und hatte nicht gewußt, warum so viele Leute das Leiden wählten; als sie älter wurde, hatte sie ihren Haß auf sich selbst erkannt, ihren Masochismus, ihre Schwäche.
    Leid wird nicht gänzlich oder auch nur mehrheitlich durch das Schicksal erzeugt; es kommt über uns, weil wir es eingeladen haben.
    Sie hatte sich stets dafür entschieden, sich nicht zum Opfer machen zu lassen, Widerstand zu leisten und den Kampf aufzunehmen, an der Hoffnung und Würde und dem Vertrauen in die Zukunft festzuhalten. Doch es war verführerisch, ein Opfer zu sein und sich von jeder Verantwortung und Fürsorge für andere loszusprechen: Die Furcht würde sich in müde Resignation verwandeln, Versagen würde nicht mehr Schuldgefühle, sondern statt dessen ein behagliches Selbstmitleid hervorrufen.
    Nun zitterte sie auf dem Hochseil der Gefühle, war sich nicht mehr sicher, ob sie das Gleichgewicht halten oder straucheln und abstürzen würde.
    Das Wohnmobil wurde wieder langsamer. Sie bogen nach rechts ab. Wurden noch langsamer. Vielleicht verließ er den Highway und hielt an.
    Sie versuchte, die Tür zu öffnen. Sie wußte, daß sie verschlossen war, aber sie zog trotzdem leise an dem Hebel, weil sie doch nicht imstande war, einfach aufzugeben.
    Während sie eine leichte Steigung hinauffuhren, verringerte sich ihre Geschwindigkeit weiter.
    Als sie sich bewegte, ließ der Schmerz in den Schenkeln und Waden sie zusammenzucken, trotzdem war es eine Wohltat, nicht mehr auf dem Hintern zu hocken. Sie erhob sich gerade so weit, daß sie über die Oberkante der Vertäfelung schauen konnte.
    Der Hinterkopf des Mörders war ihr verhaßter als alles, was Chyna je gesehen hatte, und weckte neuen Zorn in ihr. Das Gehirn unter diesem Schädel brütete sicher schon wieder bösartige Phantasien aus. Es machte sie wütend, daß er lebte und Laura tot war. Daß er hier so selbstgefällig saß, so zufrieden seinen Erinnerungen an all das Blut nachhing, an das Gnadengewimmer seiner Opfer, das Musik in seinen Ohren war. Daß er noch einen Sonnenaufgang sehen und sich daran erfreuen, oder einen Pfirsich schmecken oder eine Blume riechen würde. Der Hinterkopf dieses Mannes erschien Chyna wie der glatte Chitinpanzer eines Insekts, und sollte sie ihn je berühren, dann wäre er unter ihrer Hand sicher kalt wie ein sich windender Käfer.
    Hinter dem Fahrer, hinter der Windschutzscheibe, am oberen Ende der flachen Steigung, die der Wagen gerade bewältigte, tauchte ein Gebilde auf, verschwommen und nicht identifizierbar. Einige große Natriumdampf-Bogenlampen spendeten ein saures, schwefliges Licht.
    Sie kauerte sich wieder hinter der Eckbank der Eßecke zusammen.
    Sie ergriff das Messer.
    Das Wohnmobil hatte die höchste Stelle der Steigung erreicht. Sie befanden sich wieder auf ebener Erde. Wurden gleichmäßig langsamer.
    Chyna drehte sich um, wandte sich von dem Ausgang ab. Der linke Fuß stand auf der tieferen Stufe, der rechte auf der höheren. Den Rücken gegen die abgeschlossene Tür gedrückt, kauerte sie im Schatten jenseits des Lichtkegels der Eßtischlampe. Sie war bereit, aufzuspringen und sich auf ihn zu stürzen, falls er durch das Wohnmobil gehen, in ihre Nähe kommen und ihr die Gelegenheit dazu bieten sollte.
    Mit einem letzten Seufzen der Luftdruckbremsen hielt das Fahrzeug an.
    Wo auch immer sie waren, in der Nähe hielten sich vielleicht Menschen auf. Menschen, die ihr helfen konnten.
    Doch befanden diese Menschen sich nah genug, um sie draußen zu hören, falls sie schrie?
    Selbst wenn sie sie hörten, würden sie nicht rechtzeitig bei ihm sein. Der Mörder würde sie zuerst erreichen, mit der Pistole in der Hand.
    Vielleicht war das auch nur ein abgelegener Parkplatz: ein paar Picknicktische, ein Plakat, das vor den Gefahren eines Waldbrands warnte, und Waschräume. Vielleicht hatte er eine Pause eingelegt, um die öffentlichen Einrichtungen oder die Toilette des Wohnmobils zu benutzen. Zu dieser Nachtstunde, nach drei Uhr morgens, war wahrscheinlich kein anderes Fahrzeug auf dem Parkplatz. In diesem Fall konnte sie schreien, bis sie heiser war, und niemand würde ihr zu Hilfe kommen.
    Der Motor wurde

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