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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Alpträumen auf, schaute durch Fenster auf unbekannte Landschaften hinaus und wünschte sich, sie könne ewig weiterfahren, ohne jemals anzuhalten. Die Straße verhieß Frieden, aber das Ziel war immer die Hölle.
    In diesem Punkt unterschied sich ihre augenblickliche Fahrt nicht von all den anderen: Wo auch immer ihr Ziel lag, Chyna wollte nicht dorthin. Sie hatte vor, noch vor dem Erreichen des Ziels abzuspringen, und hoffte, den Weg zurück in das bessere Leben zu finden, das aufzubauen sie sich in den letzten zehn Jahren so abgeplagt hatte.
    Sie verließ die Ecke des Schlafzimmers und hob das Messer wieder auf, das sie hatte fallen lassen, als der Anblick des Toten im Schrank sie zurückgeworfen hatte. Dann ging sie um das Bett zum Nachttisch und schaltete die Leselampe aus.
    Es machte ihr keine Angst, mit Toten in der Dunkelheit zu sein. Nur die Lebenden waren eine Gefahr.
    Das Wohnmobil wurde wieder langsamer und bog dann nach links ab. Chyna beugte sich gegen die Neigung des Fahrzeugs vor, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Sie mußten auf dem State Highway 29 sein. Wären sie nach rechts abgebogen, wären sie ins Napa Valley gefahren, nach Süden zur Stadt Napa. Sie wußte nicht genau, welche Gemeinden – abgesehen von St. Helena und Calistoga – im Norden lagen.
    Doch selbst zwischen den Städten würde es Weingüter, Farmen, Häuser und ein paar vereinzelte Betriebe geben. Wo auch immer sie das Wohnmobil verließ, es müßte möglich sein, innerhalb einer akzeptablen Entfernung Hilfe zu finden.
    Sie schlich blindlings zur Tür, legte eine Hand auf den Knauf und wartete darauf, daß ihr Instinkt sie erneut führte. Ein Großteil ihres Lebens war wie ein Drahtseilakt ohne Netz und doppelten Boden gewesen, und als sie zwölf Jahre alt gewesen war, war sie in einer besonders schwierigen Nacht zu dem Schluß gekommen, daß der Instinkt in der Tat die leise Stimme Gottes war. Auf Gebete kamen tatsächlich Antworten, aber man mußte genau zuhören und an diese Antworten glauben. Mit zwölf Jahren schrieb sie in ihr Tagebuch: »Gott schreit nicht; er flüstert, und im Flüstern liegt der Weg.«
    Als sie auf das Flüstern wartete, dachte sie an den geschundenen Toten im Schrank, der vor einem Tag wohl noch gelebt hatte, und an Laura, die noch warm auf dem durchhängenden Bett lag. Sarah, Paul, Lauras Bruder Jack, Jacks Frau Nina: sechs Tote in vierundzwanzig Stunden. Der Spinnenfresser war kein gewöhnlicher psychopathischer Mörder. In der Sprache der Cops und Kriminologen, die sich darauf spezialisiert hatten, solche Männer zu suchen und aufzuhalten, war er »heiß«, durchlief er eine »heiße Phase«, brannte er innerlich vor Begehren und Bedürfnissen. Aber Chyna, die ihrem Magister in Psychologie den Doktor in Kriminologie folgen lassen wollte, selbst wenn sie dazu noch mal sechs Jahre als Kellnerin arbeiten mußte, spürte, daß dieser Bursche nicht nur heiß war. Er war eine Singularität, entsprach nur zum Teil den üblichen Profilen der Psychologie anomalen Verhaltens, war so völlig fremdartig wie ein Wesen von einem anderen Stern, eine außer Kontrolle geratene Mordmaschine, gnadenlos und unaufhaltsam. Wenn sie nicht geduldig auf die Einflüsterungen ihres Instinkts wartete, hatte sie nicht die geringste Chance, ihm zu entkommen.
    Sie erinnerte sich, einen großen Rückspiegel gesehen zu haben, als sie kurz hinter dem Lenkrad gesessen hatte. Das Wohnmobil hatte kein Rückfenster, also diente der Spiegel dazu, dem Fahrer einen Einblick in den Wohn- und Eßbereich hinter ihm zu verschaffen. Er konnte bis in den Gang sehen, über den man das Bad und das Schlafzimmer erreichte, und wie der Teufel es wollte, würde er kurz aufschauen, wenn Chyna die Tür öffnete und hinaustrat, und sie entdecken.
    Als der Augenblick sich richtig anfühlte, öffnete Chyna die Tür.
    Ein kleiner Segen, ein gutes Omen: Das Deckenlicht im Gang war ausgeschaltet.
    Sie stand im Halbdunkel und zog leise die Schlafzimmertür zu.
    Wie zuvor brannte die Lampe über dem Eßtisch. Vorn im Fahrzeug konnte sie das grüne Leuchten des Armaturenbretts ausmachen – und hinter der Windschutzscheibe ragten die Scheinwerferstrahlen wie silberne Schwerter in die Nacht.
    Sie ging am Badezimmer vorbei, trat aus der willkommenen Finsternis und kauerte sich hinter der getäfelten Wand der Eßecke nieder. Sie spähte durch die halbmondförmige Nische zum Hinterkopf des Fahrers hinüber, der nur etwa sechs Meter von ihr entfernt war.
    Er

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