Intensity
seines Namens beitragen.
Er heißt Edgler Foreman Vess. Aus den Buchstaben seines Namens kann man eine ganze Reihe von Machtwörtern zusammenstellen: GOD, FEAR, DEMON, SAVE, RAGE, ANGER, DRAGON, FORGE, SEED, SEMEN, FREE und so weiter. Und auch Wörter mit einem mystischen Klang: DREAM, VESSEL, LORE, MARVEL, FOREVER. Manchmal sind die letzten Laute, die er seinem Opfer zuflüstert, ein Satz aus diesen Wörtern. Einen mag er besonders und spricht ihn dementsprechend oft: GOD FEARS ME – Gott fürchtet mich.
Auf jeden Fall sind alle Sorgen um Fingerabdrücke und sonstige Beweise überflüssig, denn man wird ihn nie fassen. Er ist dreiunddreißig Jahre alt. Er vergnügt sich schon seit geraumer Zeit auf diese Weise, und es war niemals knapp.
Nun nimmt er die Pistole aus der offenen Konsole zwischen dem Fahrer- und dem Beifahrersitz. Eine Heckler & Koch P7.
Zuvor hatte er das Magazin mit dreizehn Schuß nachgeladen. Jetzt schraubt er den Schalldämpfer ab, denn er beabsichtigt nicht, in dieser Nacht weitere Häuser aufzusuchen. Außerdem wurden die Schallwände wahrscheinlich von den Schüssen beschädigt, die er abgefeuert hat, worunter sowohl die Wirksamkeit des Schalldämpfers als auch die Zielgenauigkeit der Waffe leidet.
Gelegentlich stellt er sich vor, wie es wäre, wenn das Unmögliche geschähe: wenn er bei seinem Spiel unterbrochen und von einem Sondereinsatzkommando umzingelt würde. Bei seiner Erfahrung und seinen Kenntnissen wäre der nachfolgende Showdown hinreißend intensiv .
Wenn es ein Geheimnis hinter Edgler Vess’ Erfolg gibt, dann seine Auffassung, daß es keine guten oder schlechten Launen des Schicksals gibt, daß keine Erfahrung qualitativ besser als eine andere ist. Zwanzig Millionen Dollar in der Lotterie zu gewinnen ist genauso wenig wünschenswert, wie von einem Sondereinsatzkommando umstellt zu werden, und eine Schießerei mit den Behörden ist genauso wenig zu fürchten wie der Gewinn von so viel Geld. Der Wert einer jeden Erfahrung liegt nicht in ihrer positiven oder negativen Wirkung auf das Leben, sondern in ihrer schieren Leuchtkraft, der Lebhaftigkeit, der Wildheit, dem Ausmaß und Grad des reinen Gefühls, das sie verschafft. Intensität.
Vess legt den Schalldämpfer in die Konsole zwischen den Sitzen.
Er steckt die Pistole in die rechte Tasche seines Regenmantels.
Er erwartet keine Probleme. Dennoch geht er nirgendwo unbewaffnet hin. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Außerdem bieten sich oft unerwartete Gelegenheiten.
Er nimmt wieder auf dem Fahrersitz Platz, zieht die Schlüssel aus der Zündung und überzeugt sich, daß er die Handbremse angezogen hat. Er öffnet die Tür und verläßt das Wohnmobil.
An allen acht Benzinpumpen wird Selbstbedienung verlangt. Er hat den Wagen an der äußeren der beiden Säulenreihen abgestellt. Er muß zu dem Kassierer in dem angeschlossenen kleinen Laden gehen, um im voraus zu bezahlen und die Nummer der Zapfsäule zu nennen, die er benutzt, damit sie freigegeben wird.
Die Nacht atmet. Hoch über ihm treiben starke Böen Wolkenmassen aus dem Nordwesten nach Südost. Hier auf Bodenhöhe schnauft der kalte Wind schwächer zwischen den Zapfsäulen, Pfeift am Wohnmobil entlang und drückt den Regenmantel gegen Vess’ Beine. Der Minimarkt – unten braune Ziegel, oben weiße Aluminiumverkleidung, große Schaufenster voller Waren – steht vor einigen Hügeln, auf denen große Nadelbäume wachsen; der Wind rauscht mit einer uralten, einsamen Fistelstimme durch ihr Geäst.
Auf dem Highway 101 herrscht zu dieser Stunde nur wenig Verkehr. Wenn ein Lastwagen vorbeifährt, durchpflügt er den Wind mit einem Schrei, der irgendwie nach Dinosauriern klingt.
Ein Pontiac mit einem Washingtoner Nummernschild steht an der inneren Zapfsäulenreihe, direkt unter den gelben Natriumdampflampen. Ein Aufkleber im Heckfenster erklärt: ELECTRICIANS KNOW HOW TO PLUG IT IN.
Auf dem Dach des Gebäudes ist ein rotes Neonschild so angebracht, daß man es auf der 101 deutlich sehen kann: OFEN 24 HOURS. Rot klingt auch jeder Lastwagen, der auf dem Highway vorbeifährt. In diesem Licht sehen seine Hände aus, als hätte er sie nie gewaschen.
Als Vess sich dem Eingang nähert, schwingt die Glastür auf, und ein Mann kommt heraus. Er trägt eine große Tüte Kartoffelchips und einen Sechserpack Coladosen. Ein pummeliger Typ mit langen Koteletten und einem Walroßschnurrbart.
Als er an Vess vorbeiläuft, deutet er zum Himmel und sagt: »Ein Sturm zieht
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