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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und der von sich verdickendem Blut nach.
    Er erinnert sich an die friedliche Stille des Blutes, das in der Duschkabine eine Lache um Mrs. Templeton bildete, und wie er sie störte, indem er das kalte Wasser aufdrehte.
    Die Erinnerung an das hohle Trommeln in dieser Dusche hält ihm die Kälte all des Regens vor Augen, den der angekündigte Sturm freisetzen wird, in den er hineinfährt.
    Er sieht einen Blitz über die Oberfläche der Wolken huschen und weiß, daß er nach Ozon schmeckt.
    Über dem monotonen Motordröhnen hört er einen Donnerschlag, und dieses Geräusch verbindet sich ebenfalls mit einem lebhaften inneren Bild: die Augen des jungen Asiaten, die weit, weit, weit aufgerissen werden, als der erste Schuß aus der Flinte kracht.
    Selbst in der luftlosen Leere zwischen den Galaxien: das Licht und die Dunkelheit, Farbe, Struktur, Bewegung, Form – und Schmerz.
    Der Highway stieg leicht an, und die Bäume rückten näher. In einer langgezogenen Kurve glitten die Scheinwerfer des Honda über die flankierenden Hügel und enthüllten, daß einige der sich abzeichnenden Bäume gewaltige Hemlocktannen und Kiefern waren. Bald würde sie vielleicht Mammutbäume sehen.
    Chyna hielt den Fuß auf dem Gaspedal. Soweit sie sich erinnerte, war dies das erste Mal, daß sie gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung verstieß. Sie war noch nie wegen eines Verkehrsvergehens verwarnt worden, aber jetzt wäre sie dankbar, hielte ein Cop sie an.
    Ihre makellose Akte beim Straßenverkehrsamt resultierte aus ihrer Vorliebe für Mäßigung in allen Dingen, einschließlich der Geschwindigkeit, mit der sie normalerweise fuhr. Aus den Katastrophen, die anderen widerfahren waren, hatte sie geschlossen, daß Überleben und Mäßigung in einem engen Zusammenhang standen, und ihr ganzes Dasein galt dem Überleben, wie man das Leben einer Nonne mit dem Begriff Glauben und das eines Politikers mit Macht charakterisieren konnte. Sie trank nur selten mehr als ein Glas Wein, nahm niemals Drogen, betrieb keine gefährlichen Sportarten, achtete bei ihrer Ernährung darauf, nur wenig Fett, Salz und Zucker zu sich zu nehmen, hielt sich von Gegenden fern, die als gefährlich galten, tat niemals nachdrücklich ihre Meinung kund und verhielt sich im allgemeinen so, daß sie nicht auffiel – alles nur, um durchzukommen, zu überleben.
    Allen Widrigkeiten zum Trotz hatte sie die Ereignisse der letzten paar Stunden überlebt. Der Mörder wußte gar nicht, daß es sie gab. Sie hatte es geschafft. Sie war frei. Es war vorbei. Klug, sicher, vernünftig – und ihrem Wesen entsprechend – wäre es nun, ihn einfach entkommen zu lassen, am Straßenrand anzuhalten, sich dem Zittern hinzugeben, das sie mit aller Kraft unterdrückte, und Gott zu danken, daß sie es geschafft hatte: unberührt und lebend.
    Während Chyna das Wohnmobil verfolgte, argumentierte sie gegen ihre frühere Überzeugung an und beharrte darauf, daß es das junge Mädchen im Keller, Ariel mit dem Engelsgesicht, gar nicht gab. Vielleicht war es das Foto eines Mädchens, das er bereits ermordet hatte. Die Kerker-Geschichte mochte nur eine krankhafte Phantasievorstellung sein, die psychotische Version eines Märchens der Gebrüder Grimm, Rapunzel nicht im Turm, sondern unter der Erde, lediglich ein Verwirrspiel, das er mit den beiden Verkäufern getrieben hatte.
    »Lügnerin«, sagte sie zu sich selbst.
    Das Mädchen auf dem Foto lebte noch und war irgendwo eingesperrt. Ariel war keine Phantasievorstellung. Ganz im Gegenteil, sie war Chyna; sie waren ein und dieselbe, weil alle vermißten, verlorenen Mädchen ein und dasselbe Mädchen sind, vereint durch ihr Leid.
    Sie behielt den Fuß fest auf dem Gaspedal, und der Honda fuhr über einen Hügelkamm, und das alte Wohnmobil war auf dem sanften Gefälle vor ihr, etwa einhundertfünfzig Meter entfernt. Der Atem stockte ihr in der Kehle, und dann stieß sie ihn mit einem leisen »O Gott!« aus.
    Sie holte viel zu schnell auf. Sie nahm den Fuß vom Gaspedal.
    Als sie noch sechzig Meter von dem Wohnmobil entfernt war, hatte sie ihre Geschwindigkeit dem anderen Fahrzeug angepaßt. Sie ließ sich zurückfallen und hoffte, daß er ihre anfängliche Eile nicht bemerkt hatte.
    Er fuhr zwischen fünfundsiebzig und achtzig Stundenkilometern, eine besonnene Geschwindigkeit auf diesem Highway, vor allem, da es nun keinen Mittelstreifen mehr gab und die Fahrbahnen etwas schmaler geworden waren. Er würde nicht unbedingt erwarten, daß sie ihn überholte, und

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