Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
nicht mißtrauisch werden, wenn sie hinter ihm blieb; schließlich war zu dieser nachtschlafenden Stunde nicht jeder Fahrer in Kalifornien wahnsinnig in Eile oder selbstmörderisch tempogeil.
    Bei diesem vernünftigen Tempo mußte sie sich nicht mehr so stark wie zuvor auf die Straße konzentrieren. In der Hoffnung, ein Mobiltelefon zu finden, sah sie sich im Wagen um. Sie hielt es für unwahrscheinlich, daß ein Verkäufer, der die Nachtschicht in einer Tankstelle übernommen hatte, ein Handy besaß, aber andererseits schien jetzt die halbe Welt diese Dinger mit sich herumzuschleppen, nicht nur Vertreter, Makler und Anwälte. Sie sah in der Konsole nach. Im Handschuhfach. Unter dem Fahrersitz. Leider erwies ihr Pessimismus sich als begründet.
    Südwärts fahrender Verkehr kam ihr auf der anderen Fahrspur entgegen: ein großer Tankwagen, dessen Fahrer einen Bleifuß hatte, dicht in dessen Windschatten ein Mercedes – und dann, in beträchtlichem Abstand, ein Ford. In der Hoffnung, zufällig einem Polizeiauto zu begegnen, bedachte Chyna die Fahrzeuge mit besonderer Aufmerksamkeit.
    Sollte sie einen Cop entdecken, würde sie ihn mit der Hupe auf sich aufmerksam machen oder indem sie in Schlangenlinien fuhr. Wenn sie die Hupe zu spät einsetzte und er ihren übertriebenen Slalom im Rückspiegel nicht bemerkte, würde sie zögernd wenden und ihm folgen, auch wenn sie das Wohnmobil dann aus den Augen verlor.
    Sie hegte aber keine allzu große Hoffnung, in Bälde einen Cop zu sehen.
    Der Mörder schien das Glück auf seiner Seite zu haben. Er legte eine Zuversicht an den Tag, die Chyna entnervte. Vielleicht war diese Zuversicht der einzige Garant für sein Glück – obwohl selbst Chyna, die eigentlich fest in der Wirklichkeit verwurzelt war, sich schnell dem Aberglauben hingeben und ihm dunkle, übersinnliche Kräfte zuschreiben konnte.
    Nein. Er war nur ein Mensch.
    Und jetzt hatte sie einen Revolver. Sie war nicht mehr hilflos. Das Schlimmste war vorbei.
    Im Norden zuckten wieder Blitze durch den Himmel, diesmal nicht mehr so schwach, nicht durch dicke Wolkenschichten gefiltert. Sie waren so hell, als würde die nackte Sonne von der anderen Seite der Nacht durchbrechen.
    In dieser stroboskopischen Helligkeit schien das Wohnmobil zu vibrieren, als wolle ein göttlicher Zorn es mitsamt seinem Fahrer zerschmettern.
    Doch in dieser Welt war die Vergeltung sterblichen Männern und Frauen vorbehalten. Gott begnügte sich damit, auf das nächste Leben zu warten, um Sündern eine Bestrafung zuteil werden zu lassen; nach Chynas Auffassung war das seine einzige erbarmungslose Eigenschaft, doch darin lag genug Grausamkeit.
    Den Blitzen folgten krachend Donnerschläge. Obwohl sie so laut waren, daß sie die Schleusen des Himmels hätten zerschlagen müssen, blieb der Regen vorerst in seinem finsteren Reservoir.
    Sie hoffte ein Schild zu entdecken, das eine Wache der Autobahnpolizei ankündigte, doch es war nichts dergleichen zu sehen. Der nächste größere Ort, in dem sie vielleicht auf ein Polizeirevier oder einen Streifenwagen stoßen könnte, war Eureka, und auch das war nicht gerade eine Großstadt. Außerdem befand sich Eureka noch mindestens eine Autostunde weit entfernt.
    Als Kind hatte sie sich unter Betten gepreßt und sich in Schränke gekauert, sich auf Dächer gehockt und in die obersten Äste der Bäume gerettet, im Winter in Scheunen und in warmen Nächten am Strand ausgeharrt und darauf gewartet, daß die Leidenschaft, der Zorn der Erwachsenen sich verflüchtigten, immer in Angst, aber auch mit Geduld, zen-haft losgelöst vom Fluß der Zeit. Nun machte die Ungeduld ihr zu schaffen wie nie zuvor. Sie wollte, daß dieser Mann gefaßt, in Handschellen gelegt, der Gerechtigkeit zugeführt und verletzt wurde. Sie wollte es unbedingt, und zwar ohne jede weitere Minute der Verzögerung, bevor er erneut töten konnte. Ihr eigenes Überleben stand im Augenblick nicht auf dem Spiel, aber das eines jungen Mädchens. Sie kannte es gar nicht, und so war sie überrascht – ja, besorgt –, daß sie sich so stark für eine Fremde einsetzte.
    Vielleicht hatte diese Eigenschaft schon immer in ihr geschlummert, und sie war einfach noch nie in einer Situation gewesen, in der sie darauf hatte zurückgreifen müssen. Aber nein. Damit machte sie sich selbst etwas vor. Vor zehn Jahren wäre sie dem Wohnmobil nie gefolgt. Auch nicht vor fünf Jahren. Oder letztes Jahr. Vielleicht nicht mal gestern.
    Irgend etwas hatte sie grundlegend

Weitere Kostenlose Bücher