Intensity
intensivieren und seine Arterien zum Singen bringen.
Obwohl Elche normalerweise scheu sind und sich leicht verschrecken lassen, sehen diese ihn kühn an. Sie scheinen nicht beunruhigt zu sein und nicht im geringsten schreckhaft oder fluchtbereit. Ihre Direktheit kommt ihm seltsam vor. Er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut, was selten vorkommt.
Auf jeden Fall wartet die Frau in dem roten Pullover auf ihn, und sie ist wesentlich interessanter als noch so viele Elche. Er ist jetzt ein erwachsener Mann und kein Kind mehr, und seine Suche nach intensiven Erfahrungen kann auf den Seitenwegen der Vergangenheit nicht befriedigt werden. Edgler Vess ist über solchen Kinderkram schon lange hinausgewachsen.
Er kehrt zum Wohnmobil zurück.
An der Tür sieht er, daß die Frau sich weder auf dem Fahrer noch auf dem Beifahrersitz befindet.
Als er sich hinter das Lenkrad schwingt, wirft er einen Blick zurück, kann sie aber weder im Wohn- noch im Eßbereich ausmachen. Der kurze, dunkle Gang am Ende des Wohnmobils scheint ebenfalls verlassen zu sein.
Er schaut wieder nach vorn, hält den Blick aber auf den Rückspiegel gerichtet und öffnet die Klappe der Konsole zwischen den Sitzen. Seine Pistole liegt noch dort, wohin er sie gelegt hat, ohne Schalldämpfer.
Mit der Waffe in der Hand dreht er sich auf seinem Stuhl, erhebt sich und geht zur Koch- und Eßecke. Das Fleischermesser, das er bei der Tankstelle gefunden hat, liegt wie zuvor auf der Arbeitsfläche. Er öffnet den Schrank links vom Ofen und stellt fest, daß die Mossberg wie gehabt in ihren Klammern hängt, zwischen die er sie wieder gesteckt hat, nachdem er die beiden Angestellten getötet hat.
Er weiß nicht, ob sie bereits bewaffnet war. Auf die Entfernung, aus der er sie gesehen hat, konnte er nicht ausmachen, ob sie etwas bei sich trug und ob sie, was genauso wichtig ist, so attraktiv ist, daß es ihm Spaß machen wird, sie zu töten.
Also noch weiter zurück durch sein schmales Reich, mit besonderer Vorsicht am Ende der Eckbank, hinter der die Stufen der Tür liegen. Dort hockt sie auch nicht.
In den Gang.
Das Geräusch des Regens. Der Motor im Leerlauf.
Ihm ist klar, daß in dieser schwingenden Blechdose auf Rädern Verstohlenheit ein Ding der Unmöglichkeit ist, und er öffnet die Badezimmertür schnell und laut. Das kleine Bad ist so, wie es sein sollte, kein blinder Passagier auf dem Klo oder in der Duschkabine.
Dann der schmale Kleiderschrank mit der Schiebetür. Aber darin ist sie auch nicht.
Der einzige Ort, den er noch nicht durchsucht hat, ist das Schlafzimmer.
Vess steht vor dieser letzten geschlossenen Tür, hell entzückt von dem Gedanken, daß die Frau, die sich dort zusammengekauert hat, nicht weiß, mit wem sie ihr Versteck teilt.
Auf der Schwelle und am Türrahmen ist nicht das geringste Licht zu sehen; also hat sie den Raum zweifellos im Dunkeln betreten. Offenbar hat sie sich noch nicht auf das Bett gesetzt und die schlafende Schönheit gefunden.
Vielleicht hat sie sich vorsichtig durch den kleinen Raum getastet und durch blinde Erkundung die Falttür des Schranks gefunden. Wenn Vess jetzt die Schlafzimmertür öffnet, wird sie vielleicht im selben Augenblick die Kunststofftür öffnen, um schnell und leise in den Schrank zu schlüpfen, nur um zu spüren, daß dort statt Sporthemden ein seltsames kaltes Etwas hängt.
Mr. Vess ist erheitert.
Nur mühsam widersteht er der Versuchung, die Tür aufzureißen und zu beobachten, wie sie von der Leiche im Schrank und dann von dem toten Mädchen auf dem Bett zurückprallt, wie sie sich schreiend erst vom zugenähten Gesicht des Jungen abwendet, dann von dem gefesselten Mädchen und schließlich von Vess selbst, und entsetzt herumwirbelt wie in einem komischen Flipper.
Doch nach diesem Spektakel wird er sofort zur Sache kommen müssen. Er wird schnell herausbekommen, wer sie ist und was sie hier zu suchen hat.
Mr. Vess wird klar, daß er diese seltene Begegnung mit einem Geheimnis noch gar nicht beenden will. Es gefiele ihm besser, die Spannung zu verlängern und noch eine Weile an dem Rätsel zu kauen.
Die Aktivitäten der letzten Stunden haben ihn etwas erschöpft. Nun gibt ihm diese unerwartete Entwicklung neue Energie.
Es sind natürlich gewisse Risiken damit verbunden, es auf diese Art und Weise zu versuchen. Aber es ist unmöglich, intensiv zu leben und Risiken zu vermeiden. Risiko ist das Herz einer intensiven Existenz.
Er tritt leise von der Schlafzimmertür zurück.
Dann
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