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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Gedanken verwirrt sind, mag ihr die irrationale Entscheidung, sich in dem Wohnmobil zu verstecken, völlig logisch vorkommen.
    Sie scheint jedoch nicht an einer Kopfverletzung zu leiden oder überhaupt an einer Verletzung. Sie ist nicht über den Highway gestolpert oder getorkelt, sondern schnell und sicher gelaufen. Auf diese Entfernung hätte Vess im Rückspiegel kein Blut sehen können, selbst wenn sie geblutet hätte, doch er weiß intuitiv, daß sie nicht blutet.
    Je länger er über die Situation nachdenkt, desto stärker drängt sich der Verdacht auf, daß der Unfall inszeniert ist.
    Aber warum?
    Wäre das Motiv Raub, dann hätte sie ihn sofort angesprochen, als er aus dem Auto stieg.
    Außerdem fährt er keine dieser hochmodernen Landjachten für dreihunderttausend Dollar, welche Diebe schon allein durch ihre Protzigkeit herausfordern. Sein Fahrzeug ist siebzehn Jahre alt und zwar gut erhalten, aber beträchtlich weniger als fünfzigtausend Dollar wert. Es kommt ihm sinnlos vor, einen relativ neuen Honda zu Schrott zu fahren, um ein ziemlich altes Fahrzeug auszuplündern, das keine großen Schätze verspricht.
    Er hat die Schlüssel in der Zündung stecken und den Motor laufen lassen. Wäre dies ihre Absicht gewesen, hätte sie bereits mit dem Wohnmobil davonfahren können.
    Und eine Frau, die des Nachts allein auf einem einsamen Highway unterwegs ist, plant wohl kaum einen Raub. So ein Verhalten paßt zu keinem ihm bekannten Verbrecherprofil.
    Er ist verblüfft.
    Zutiefst.
    Mr. Vess’ Leben wird nicht oft von Geheimnissen berührt. Es gibt Dinge, die man töten kann, und solche, die man nicht töten kann. Einige Dinge sind schwerer zu töten als andere, und bei einigen macht es mehr Spaß als bei anderen. Einige schreien, einige weinen, einige machen beides, manche zittern nur stumm und warten auf das Ende, als hätten sie ihr ganzes Leben in Erwartung dieses Schmerzes verbracht. So verstreichen die Tage – angenehm geradlinig, ein Strom der puren Empfindungen, auf dem das Rätsel selten Segel setzt.
    Aber diese Frau in dem roten Pullover ist ein Rätsel und geheimnisvoller und faszinierender als die meisten Menschen, die Mr. Vess kennengelernt hat. Er kann sich nur schwer vorstellen, welche Erfahrungen er mit ihr machen wird, und die Aussicht auf eine solche Neuheit erregt ihn.
    Er steigt aus dem Honda und schließt die Tür.
    Einen Augenblick lang steht er im kalten Regen und betrachtet den Wald. Er hofft, unverdächtig zu erscheinen, sollte die Frau ihn aus dem Wohnmobil beobachten. Vielleicht fragt er sich, was mit dem Fahrer des Honda geschehen ist. Vielleicht ist er ein guter Bürger, der sich Sorgen um sie macht und überlegt, ob er den Wald nach ihr durchsuchen soll.
    Mehrere Blitze jagen über den Himmel, so weiß und zerklüftet wie laufende Skelette. Die nachfolgenden Donnerschläge sind so heftig, daß sie durch Mr. Vess’ Knochen dröhnen, eine Vibration, die er höchst angenehm findet.
    Ungerührt vom Sturm tauchen am Waldrand plötzlich mehrere Elche auf, treten zwischen den Bäumen hervor und auf den angrenzenden Streifen mit den Farnen. Sie bewegen sich mit stattlicher Anmut und einer Stille, die hinter dem ausklingenden Echo des Donners ätherisch anmutet. Ihre Augen leuchten im Licht der Scheinwerfer. Sie kommen ihm eher wie Gespenster als wie reale Tiere vor.
    Zwei, fünf, sieben, immer mehr Tiere treten hervor. Einige bleiben stehen, als würden sie für ein Foto posieren, und andere gehen weiter, bleiben dann aber ebenfalls stehen, bis er schließlich ein Dutzend oder noch mehr von ihnen ausmachen kann, und ein jedes von ihnen sieht ihn an.
    Ihre Schönheit ist überirdisch, und es wäre enorm befriedigend, sie zu töten. Hätte er eine seiner Waffen zur Hand, würde er so viele wie möglich erschießen, bevor sie außer Reichweite liefen.
    Als Junge hat er sein Werk mit Tieren begonnen. Anfangs mit Insekten, doch schon bald war er zu Schildkröten und Echsen übergegangen und dann zu Katzen und größeren Spezies. Kaum hatte er als Teenager seinen Führerschein gemacht, da fuhr er manchmal nachts und früh morgens vor der Schule die abgelegenen Straßen ab und erschoß alle Rehe, die er finden konnte, und streunende Hunde, die Kühe auf den Feldern und die Pferde in den Pferchen, wenn er halbwegs sicher war, nicht erwischt zu werden.
    Bei dem Gedanken, diese Elche zu töten, wird er von Nostalgie durchflutet. Der Anblick ihres Blutes würde die Röte seines eigenen Blutes

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