Intensity
Stille und Gleichgültigkeit gegenüber dem Sturm erinnern sie ihn an die auf so unheimliche Weise konzentrierte Herde Elche, die er in der vergangenen Nacht im Mammutbaumwald gesehen hat. Der große Unterschied besteht natürlich darin, daß diese Geschöpfe, sollte ihnen irgendein anderer als ihr geliebter Herr gegenübertreten, nicht mit der Furchtsamkeit von Elchen reagieren, sondern diesem unglücklichen Menschen die Kehle herausreißen würden.
Obwohl Chyna es nicht für möglich gehalten hätte, hatte das Summen der Räder und das Schaukeln des Wohnmobils sie in den Schlaf gelullt. Sie träumte von seltsamen Häusern, in denen die Geometrie der Zimmer bizarr war und sich ständig veränderte; etwas Gieriges und Hungriges wohnte innerhalb der Mauern, und des Nachts sprach es durch Lüftungsschächte und Steckdosen zu ihr und erzählte ihr flüsternd von seinen Bedürfnissen.
Die Bremsen weckten sie. Sofort wurde ihr klar, daß das Wohnmobil unmittelbar zuvor schon einmal angehalten hatte und dann wieder losgefahren war. Sie hatte während dieses ersten Halts weitergedöst, war zwar in ihrem Schlaf gestört worden, aber nicht richtig erwacht. Obwohl sie nun wieder unterwegs waren und der Mörder offensichtlich noch hinter dem Lenkrad saß, hob Chyna den Revolver auf, der neben ihr auf dem Boden lag, rappelte sich hoch und drückte, angespannt und wachsam, den Rücken gegen die Wand.
Aufgrund der Neigung des Bodens und des Geräuschs des sich abmühenden Motors wußte sie, daß sie einen Hügel hinauffuhren. Dann erreichten sie dessen Kuppe und fuhren wieder hinab. Kurz darauf hielten sie erneut an, und der Motor wurde ausgeschaltet.
Der Regen war das einzige Geräusch.
Sie wartete auf Schritte.
Obwohl sie wußte, daß sie wach war, schien sie sich in einem Traum zu befinden, starr in der Dunkelheit, und der leise säuselnde Regen war wie diese Stimme, die in den Mauern flüsterte.
Mr. Vess nimmt sich die Zeit, den Regenmantel überzuziehen und die Heckler & Koch P7 in eine Tasche zu stecken. Für den Fall, daß die Frau das Wohnmobil durchsucht, nachdem er es verlassen hat, entfernt er die Mossberg-Flinte aus dem Schrank in der Kochnische. Dann schaltet er die Lichter aus.
Als er das Wohnmobil verläßt, ohne dem kalten Regen Beachtung zu schenken, laufen die drei großen Hunde zu ihm, und dann kommt der vierte hinter dem Fahrzeug hervor. Alle zittern vor Freude über seine Rückkehr, beherrschen sich aber noch, da sie nicht wollen, daß er sie für nachlässig in der Erfüllung ihrer Pflichten hält.
Bevor er zu dieser Expedition aufbrach, hat Mr. Vess die Dobermänner scharfgemacht, indem er den Namen Nietzsche aussprach. Sie werden jeden töten, der das Grundstück betritt, bis er den Namen Seuss ausspricht, woraufhin sie so freundlich wie Schoßhündchen werden – natürlich nur, solange niemand den kapitalen Fehler begeht, ihren Herrn zu bedrohen.
Nachdem er das Gewehr an die Seite des Wohnmobils gestellt hat, hält er den Hunden die Hände hin. Sie scharen sich eifrig um ihn, um an seinen Fingern zu schnüffeln. Sie schnüffeln, hecheln, lecken, lecken, ja, ja, sie haben ihn so sehr vermißt.
Er geht in die Hocke, begibt sich auf ihre Höhe hinab, und nun können sie ihre Freude nicht mehr zurückhalten. Ihre Ohren zucken, Schauder reinen Vergnügens laufen deutlich sichtbar über ihre schlanken Flanken, und sie jaulen leise vor reinem Glück, drücken sich eifersüchtig alle gleichzeitig gegen ihn, um berührt, gestreichelt, gekrault zu werden.
Sie leben in einem riesigen Zwinger hinter der Scheune, den sie nach Belieben betreten und verlassen können. Um ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit zu gewährleisten, wird er während der Kaltwetterperiode elektrisch geheizt.
»Hallo, Munster. Wie geht’s dir, Edamer? Tilsiter, Junge, du siehst aber wie ein gemeiner Mistkerl aus. He, Limburger, bist du ein braver Junge, bist du mein braver Junge?«
Ein jeder von ihnen freut sich dermaßen, als sein Name fällt, daß er sich am liebsten auf den Rücken rollen, die Kehle darbieten, mit den Pfoten durch die Luft schlagen und breit grinsen würde – wäre er nicht noch im Dienst. Es bereitet Vess Spaß, bei jedem Tier den Kampf zwischen der Ausbildung und seiner Natur zu beobachten, eine süße Qual, die zwei von ihnen dazu bringt, vor nervöser Frustration zu pinkeln.
Mr. Vess hat in dem Zwinger elektrisch betriebene Automaten aufgestellt, die während seiner Abwesenheit genau berechnete
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