Intensity
sie die Nerven verloren hatte. Obwohl ihre Sachen während der Fahrt fast völlig getrocknet waren, war ihr noch immer kalt, und die Quelle dieser Kälte war das Eis des Zweifels tief in ihrem Bauch.
Der Spinnenfresser war fort, und Chyna wäre selbst trotz der zwei Leichen viel lieber in dieser Dunkelheit geblieben, als hinauszugehen und ihm vielleicht wieder zu begegnen. Sie wußte, daß er zurückkommen würde, daß sie in diesem Schlafzimmer nicht in Sicherheit war, doch eine Zeitlang wurde das, was sie wußte, von dem, was sie fühlte, überstimmt.
Als sie ihre Lähmung schließlich überwand, bewegte sie sich ganz energisch, als könnte jedes Zögern zu einer weiteren und noch schlimmeren Lähmung führen, die sie unmöglich überwinden konnte. Sie riß die Schlafzimmertür auf und stürzte auf den Gang, wobei sie den Revolver in der ausgestreckten Hand hielt, weil der Schweinehund vielleicht gar nicht ausgestiegen war, und dann ging sie am Bad vorbei und durch die Eßecke bis in den Wohnbereich, wo sie einen Meter hinter dem Fahrersitz stehenblieb.
Das einzige Licht war ein schwacher grauer Schimmer, der durch die Dachluke im Gang hinter ihr und durch die Windschutzscheibe vor ihr fiel, doch sie konnte ausmachen, daß der Mörder nicht hier war. Sie war allein.
Draußen, direkt vor dem Wohnmobil, befanden sich ein durchnäßter Garten, ein paar tropfende Bäume und eine holprige Auffahrt, die zu einer verwitterten Scheune führte.
Chyna ging zum Fenster auf der rechten Seite, zog vorsichtig eine Ecke des schmierigen Vorhangs zurück und sah in etwa sechs Metern Entfernung ein Blockhaus. Altersfleckig und mit ungleichmäßig dicken Schichten Holzschutzmittel überzogen, glitzerten die Wände, an denen der Regen in Strömen herabrann, wie eine dunkle Schlangenhaut.
Obwohl sie es nicht hundertprozentig wußte, ging sie davon aus, daß es sich um das Haus des Mörders handelte. Er hatte in der Tankstelle den Verkäufern erzählt, er würde nach seinem »Jagdausflug« nach Hause fahren, und alles, was er ihnen gesagt hatte, hatte wie die reine Wahrheit geklungen, einschließlich der spöttischen Bemerkungen über die junge Ariel.
Der Mörder mußte im Haus sein.
Chyna ging ganz nach vorn, beugte sich über den Fahrersitz und warf einen Blick auf die Zündung. Die Schlüssel steckten nicht. Sie lagen auch nicht in der Konsole.
Sie glitt auf den Beifahrersitz und kam sich trotz des alles verwischenden Regens, der über die Windschutzscheibe herabfloß, schrecklich sichtbar vor. Sie fand nichts in der Konsole, in dem flachen Handschuhfach, in den Ablagen der Türen oder unter den beiden Vordersitzen, was den Namen des Besitzers oder irgend etwas anderes über ihn enthüllt hätte.
Er würde bald zurückkommen. Aus irgendeinem verrückten Grund hatte er große Mühen und Risiken auf sich genommen, um die Leichen hierher zu bringen, und höchstwahrscheinlich würde er sie nicht lange in dem Wohnmobil liegenlassen. Der Regen erschwerte die Sicht, sie glaubte jedoch zu erkennen, daß die Vorhänge der Fenster im Erdgeschoß auf dieser Seite des Hauses zugezogen waren. Also konnte der Mörder nicht zufällig hinausschauen und sie erblicken, wenn sie aus dem Wohnmobil trat. Die beiden Fenster des Obergeschosses konnte sie nicht annähernd so deutlich ausmachen wie die unteren, doch bei ihnen schien es genauso zu sein.
Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit, und der Wind stach wie ein kaltes Messer durch die Lücke auf sie ein. Sie stieg aus und schloß die Tür hinter sich so leise wie möglich.
Der Himmel war bedeckt und turbulent.
Reihe um Reihe bewaldeter Hügel erhob sich hinter dem Haus; die letzten verschwanden im perlmuttenen Dunst. Auch wenn sie es nicht sehen konnte, spürte Chyna, daß sich hinter den Hügeln Berge erhoben; so zeitig im Frühling würden sie noch mit Schnee bedeckt sein.
Sie lief zu der steinernen Treppe und die Veranda hinauf, aus dem Regen, aber es regnete so stark, daß sie schon wieder bis auf die Haut durchnäßt war. Sie drückte den Rücken gegen die rauhe Wand.
Fenster flankierten die Haustür, und hinter den beiden nächstliegenden waren die Vorhänge zugezogen.
Im Haus Musik.
Swing.
Sie schaute auf die Wiesen hinaus, die Fahrspur entlang, die vom Haus auf einen niedrigen Hügel und dann außer Sicht führte. Vielleicht standen hinter diesem Hügel andere Häuser an dieser ungepflasterten Straße, in denen sie Menschen finden würde, die ihr helfen konnten.
Aber wer
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