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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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eine Naturgewalt ist: ein Hurrikan, ein Gewitter, ein planetenzerschmetternder Asteroid, der durch die Leere rast, das Destillat aller menschlichen Wildheit in einem einzigen Körper. Eine Urgewalt. Der Gedanke gefällt ihm.
    Nun jedoch werden Nachrichten seinen Zwecken nicht genügen. Er dreht schnell den Wahlknopf, bis er einen Sender findet, der Musik spielt. »Take the A Train« von Duke Ellington.
    Perfekt.
    Der Sound der Big Band ruft in ihm Bilder eines Lichts hervor, das sich in geschliffenem Kristall bricht, und von leuchtenden Perlen, die in einem Sektglas aufsteigen, und er muß an den Geruch frisch aufgeschnittener Limonen und Zitronen denken. Er kann die Noten in der Luft fühlen ; einige schimmern wie Seifenblasen und platzen dann, andere prallen von ihm ab wie Hunderte kleiner Gummibälle, und wieder andere schweben wie vom Wind aufgewirbelte, herbstgetrocknete Blätter durch die Luft: eine sehr taktile Musik, überschwenglich und erhebend.
    Der Taktschlag des Swing wird die Frau auf subtile Weise einlullen. Sie wird wohl nur sehr schwer glauben, wirklich glauben können, daß ihr vor dem Hintergrund solcher Musik etwas Schlimmes zustoßen kann.
    Perfekt.
    Er eilt ins Schlafzimmer zurück, ans Fenster, von dem er keine Minute lang fort war.
    Regen schlägt gegen das Glas und strömt herab.
    Auf der Auffahrt steht das Wohnmobil wie zuvor.
    Die Frau muß sich noch darin befinden. Sie wird wahrscheinlich nicht einfach aus dem Fahrzeug stürmen und Hals über Kopf loslaufen, sondern es mit der gebotenen Vorsicht verlassen und auf beiden Seiten der Tür zögern. Obwohl sie Zeit genug gehabt hätte, sich aus dem Wohnmobil zu schleichen, während Mr. Vess im Bad war, würde sie sich höchstwahrscheinlich in seiner Nähe verstecken, sich orientieren, die Situation einschätzen. Von diesem hohen Aussichtspunkt kann er fast das gesamte Fahrzeug überblicken, abgesehen von den toten Winkeln links hinten und der Rückseite, und er kann die Frau nicht ausmachen.
    »Ich bin soweit, wenn Sie es sind, Miß Desmond«, sagt er, womit er sich auf Gloria Swansons Rolle in Sunset Boulevard bezieht.
    Dieser Film hat ihn stark beeindruckt, als er ihn zum erstenmal im Fernsehen sah. Er war damals dreizehn gewesen und befand sich wegen des Mordes an seiner Großmutter seit einem Jahr in psychiatrischer Behandlung. Auf einer Ebene hatte er gewußt, daß Norma Desmond die tragische Schurkin des Streifens sein sollte und Autor und Regisseur beabsichtigten, daß sie diese Rolle ausfüllte – aber er hatte sie bewundert, ja geradezu geliebt. Ihr Egoismus war mitreißend, ihre Egozentrik heroisch. Sie war der glaubwürdigste Charakter, den er je in einem Film gesehen hatte. So waren Menschen wirklich, unter ihrer Verstellung und Heuchelei, unter all dem Gebrabbel von Liebe, Leidenschaft und Selbstlosigkeit; sie alle waren wie Norma Desmond, konnten es sich aber nicht eingestehen. Norma war der Rest der Welt scheißegal, und sie zwang jedem ihren eisernen Willen auf, auch als sie nicht mehr jung oder schön oder berühmt war, und als sie den von William Holden gespielten Mann nicht so stark zurechtbiegen konnte, wie sie es wollte, nahm sie einfach kühn eine Pistole und erschoß ihn, was so mächtig, so dreist war, daß der junge Edgler in dieser Nacht vor Aufregung nicht schlafen konnte. Er hatte wachgelegen und sich gefragt, wie es wohl sein mochte, einer Frau zu begegnen, die so überlegen und authentisch wie Norma Desmond war – und sie dann zu brechen, zu töten, die gesamte Kraft ihrer Selbstsucht aufzunehmen und zu der seinen zu machen.
    Vielleicht ist diese geheimnisvolle Frau ein klein wenig wie Norma Desmond. Sie ist kühn, soviel steht fest. Verdammt, er kommt nicht dahinter, was sie tut, worauf sie aus ist; und wenn er ihr Motiv endlich versteht, wird sie vielleicht gar nicht wie Norma Desmond sein. Doch zumindest ist sie schon jetzt eine neue und interessante Erfahrung.
    Der Regen.
    Der Wind.
    Das Wohnmobil.
    Auf »Take the A Train« folgt »String of Pearls«.
    »Ich bin soweit, wenn Sie es sind«, murmelt Mr. Vess leise gegen die blauen Vorhänge.
    Nachdem der Mörder aus dem Wohnmobil gestiegen war und die Tür zugeschlagen hatte, hatte Chyna eine geraume Weile im eintönigen Wiegenlied des Regens in dem dunklen Schlafzimmer gewartet.
    Sie hatte sich daran erinnert, daß sie vorsichtig und besonnen war. Lausche. Warte. Sei dir sicher. Absolut sicher.
    Aber dann hatte sie sich zu dem Eingeständnis gezwungen, daß

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