Intensity
beige Baumwollhosen, einen geflochtenen Ledergürtel und ein hellgrünes Baumwollhemd.
Auch Ariel sieht in ihrer Schulmädchen-Uniform gut aus. Vess stellt erfreut fest, daß sie sich, wie er es ihr aufgetragen hat, während seiner Abwesenheit regelmäßig gewaschen hat. Es ist nicht leicht für sie, da sie sich nur mit einem Schwamm säubern kann und ihr prachtvolles Haar im Becken shampoonieren muß.
Er hat diesen Raum für andere errichtet, die vor ihr kamen, und keine von ihnen blieb länger als zwei Monate. Bevor er seine Ariel kennengelernt und erfahren hat, wie erfrischend unabhängig sie ist, hat er sich nicht vorstellen können, jemals einen Menschen so lange hier festzuhalten. Daher hat er eine Dusche nicht für nötig gehalten.
Er hat das Mädchen zum erstenmal auf einem Foto in einer Zeitung gesehen. Obwohl sie erst in der zehnten Klasse war, galt sie schon als eine Art Genie und hatte ihre High-SchoolMannschaft aus Sacramento beim Academic Decathlon, dem landesweiten kalifornischen Schulwettbewerb, zum Sieg geführt. Sie hatte so jung und zart ausgesehen. Die Zeitung hatte in seinen Händen gezittert, als er sie gesehen hatte, und er wußte sofort, daß er nach Sacramento fahren und sie kennenlernen mußte. Den Vater hatte er erschossen. Die Mutter hatte eine riesige Puppensammlung besessen und als Hobby selbst Puppen hergestellt. Vess hatte sie mit einer Bauchredner-Puppe totgeschlagen, die einen großen Kopf aus Ahornholz hatte und so wirkungsvoll wie ein Baseballschläger war.
»Du bist schöner denn je«, sagt er zu Ariel, und seine Stimme wird von der Schallisolierung gedämpft, als sei er lebendig begraben und spreche aus einem Sarg heraus.
Sie antwortet nicht, nimmt seine Anwesenheit nicht mal zur Kenntnis. Sie ist in ihrer stummen Phase, die ohne Unterbrechungen schon seit sechs Monaten anhält.
»Ich habe dich vermißt.«
Dieser Tage sieht sie ihn nie mehr an, sondern starrt auf einen Punkt über seinem Kopf und seitlich von ihm. Würde er sich von der Fußbank erheben und in ihre Blickrichtung treten, würde sie trotzdem noch über seinen Kopf und zur Seite schauen, obwohl er nie mitbekam, daß sie den Blick abwandte, um ihm auszuweichen.
»Ich habe etwas mitgebracht, das ich dir zeigen will.«
Aus einem Schuhkarton, der neben dem Schemel auf dem Boden steht, holt er zwei Polaroid-Fotos hervor. Sie wird sie nicht an sich nehmen oder den Blick auf sie richten, doch Vess weiß, daß sie diese Andenken untersuchen wird, nachdem er gegangen ist.
Sie ist für diese Welt nicht ganz so verloren, wie sie tut. Sie sind in ein kompliziertes Spiel mit hohen Einsätzen vertieft, und sie ist eine gute Spielerin.
»Das hier ist eine Lady namens Sarah Templeton, wie sie aussah, bevor ich sie hatte. Sie war in den Vierzigern, aber sehr attraktiv. Eine hübsche Frau.«
Der Sessel ist so tief, daß das Polster vor Ariel einen Vorsprung bildet, auf den Vess das Foto legen kann.
»Hübsch«, wiederholt er.
Ariel blinzelt nicht. Sie ist imstande, überraschend lange starr geradeaus zu sehen, ohne zu blinzeln. Dann und wann macht Mr. Vess sich Sorgen, daß sie damit ihren betörenden blauen Augen Schaden zufügen könnte; die Hornhäute müssen regelmäßig befeuchtet werden. Doch wenn sie zu lange geradeaus starrt, ohne zu blinzeln, und ihre Augen gefährlich trocken werden, wird die Reizung natürlich bewirken, daß unwillkürlich Tränen in ihre Augen treten.
»Das ist ein zweites Foto von Sarah, nachdem ich mit ihr fertig war«, sagt Mr. Vess und legt auch dieses Bild auf den Sessel. »Wie du sehen kannst, wenn du mal hinschaust, trifft das Wort hübsch nicht mehr zu. Schönheit ist nie von Dauer. Die Dinge verändern sich.«
Er holt zwei weitere Fotos aus dem Schuhkarton.
»Das ist Sarahs Tochter, Laura. Vorher und nachher. Du kannst sehen, daß sie wunderschön war. Wie ein Schmetterling. Aber du weißt ja, ein Schmetterling ohne Flügel ist kaum mehr als ein Wurm.«
Er legt auch diese Schnappschüsse auf den Sessel und greift erneut in den Karton.
»Das war Lauras Vater. Oh, und hier ist ihr Bruder … und seine Frau. Sie sind unwichtig.«
Schließlich holt er die drei Polaroid-Bilder von dem jungen asiatischen Gentleman und die abgebissene Slim-Jim-Wurst hervor.
»Sein Name ist Fuji. Wie der Berg in Japan.«
Vess legt zwei der drei Fotos auf den Stuhl.
»Eins behalte ich für mich. Um es zu essen. Und dann werde ich Fuji sein, mit der Macht des Fernen Ostens und der Macht des Berges,
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