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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Strukturen, welche dieses Bild ihm vermittelt. Ein Stimulus bringt für ihn so viele Assoziationen mit sich, daß er sich stundenlang in der Kontemplation eines einzigen Haars – oder auch eines Regentropfens – vertiefen kann, denn dieser Gegenstand kann für ihn eine vollständige Wahrnehmungswelt sein.
    Er geht zum Sessel und schaut auf das Mädchen hinab.
    Es nimmt ihn nicht zur Kenntnis, und obwohl er in seine Blickrichtung getreten ist, schaut es irgendwie nach oben und zur Seite, ohne daß er bemerkt hat, wann genau es seinen Blick verlagerte.
    Wie durch Zauberei weicht es ihm aus.
    »Vielleicht bekomme ich zwei oder drei Worte aus dir heraus, wenn ich dich anzünde. Was hältst du davon? Etwas Feuerzeugbenzin auf das goldene Haar – und wusch! «
    Sie blinzelt nicht mal.
    »Oder ich werfe dich den Hunden vor, wenn das deine Zunge lockert.«
    Kein Zurückschrecken, kein Zusammenzucken, kein Erschauern. Was für ein Mädchen!
    Mr. Vess bückt sich und hält sein Gesicht vor das Ariels, bis ihre Nasen sich fast berühren.
    Ihre Augen sind nun direkt auf die seinen gerichtet – und doch sieht sie ihn noch immer nicht an. Sie scheint durch ihn hindurch zu schauen, als sei er kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein flüchtiges Gespenst, das sie nicht wahrnehmen kann. Das ist nicht nur der alte Trick, die Augen unscharf einzustellen, sondern eine viel cleverere List, die er überhaupt nicht versteht.
    »Nach Mitternacht gehen wir auf die Wiese«, flüstert Vess Nase an Nase mit ihr. »Ich begrabe Laura und den Anhalter. Vielleicht lege ich dich mit ihnen in die Grube und schaufle Erde auf dich, drei in einem Grab. Sie tot, und du lebendig. Würdest du dann sprechen, Ariel? Würdest du bitte sagen?«
    Keine Antwort.
    Er wartet.
    Ihr Atem geht langsam und gleichmäßig. Er ist ihr so nah, daß die von ihr ausgeatmete Luft warm und stetig über seine Lippen streicht, wie das Versprechen auf zukünftige Küsse.
    Sie muß seinen Atem ebenfalls spüren.
    Vielleicht hat sie Angst vor ihm, wird sogar von ihm abgestoßen, aber sie findet ihn auch reizvoll. Daran hat er keinen Zweifel. Alle finden böse Buben faszinierend.
    »Vielleicht wirst du Sterne sehen«, sagt er.
    Dieses Blau in ihren Augen, diese funkelnde Tiefe.
    »Oder sogar den Mond«, flüstert er.
    Die stählernen Fesseln um Chynas Knöchel wurden von einer stabilen Kette zusammengehalten. Eine zweite und wesentlich längere Kette, die mit einem Karabinerhaken mit der ersten verbunden war, umschlang die dicken Stuhlbeine und die Spannstäbe dazwischen, kehrte zu ihren Füßen zurück, lief um den großen, faßähnlichen Sockel, der die runde Tischplatte trug, und dann zu dem Haken zurück. Die Ketten ließen ihr nicht so viel Spielraum, daß sie sich erheben konnte. Selbst wenn sie hätte aufstehen können, hätte sie den Stuhl auf dem Rücken tragen müssen, und seine Form und sein Gewicht hätten sie gezwungen, sich vornüber zu beugen wie ein buckliger Troll. Und dann hätte sie sich trotzdem nicht von dem Tisch entfernen können, an den sie gekettet war.
    Ihre Hände waren vor ihrem Bauch gefesselt. Eine Kette war in die Handschelle gehakt, die ihr rechtes Handgelenk umschlang. Von dort aus führte sie um sie herum, schlang sich hinter dem Sitzpolster zwischen den Latten der Rücklehne des Stuhls hindurch und verlief dann zur linken Handschelle. Diese Kette war so lang, daß sie die Arme auf den Tisch legen konnte, falls sie es wünschte.
    Sie saß vorgebeugt mit gefalteten Händen da, starrte den roten, geschwollenen Zeigefinger ihrer rechten Hand an und wartete.
    Der Finger pochte, und sie hatte Kopfschmerzen, aber die Stiche im Nacken hatten nachgelassen. Sie wußte jedoch, daß sie in vielleicht vierundzwanzig Stunden wie die verzögerten Qualen einer schlimmen Tracht Prügel schlimmer denn je zurückkehren würden.
    Doch die Schmerzen im Nacken würden natürlich ihre geringste Sorge sein, falls sie in vierundzwanzig Stunden noch leben sollte.
    Der Dobermann war nicht mehr am Fenster. Sie hatte zwei von ihnen gleichzeitig auf dem Rasen gesehen, wie sie hin und her liefen, ihre Nasen ins Gras und in die Luft hielten, gelegentlich stehenblieben, um die Ohren zu spitzen, konzentriert zu lauschen und sich dann wieder in Bewegung zu setzen. Offensichtlich bewachten sie das Grundstück.
    In der vergangenen Nacht hatte Chyna ihren Zorn benutzt, um ihre Angst zu überwinden, bevor sie sie handlungsunfähig machte, doch nun stellte sie fest, daß

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