Internat auf Probe
gekommen und sprichst die ganze Zeit davon, dass du nicht lange bleibst?“
„Weil ich im Gegensatz zu euch nicht freiwillig hier bin“, antwortet Manu mit grimmigem Gesicht. „Meinen Eltern gehört eine große Supermarktkette. Sie haben ziemlich viel Geld, und meine Mutter ist der Meinung, dass es sich in unseren Kreisen gehört, ein gutes Internat zu besuchen und eine erstklassige Erziehung zu genießen.“ Sie schnaubt verächtlich. „‚In unseren Kreisen‘ – wenn ich das schon höre! Und von wegen erstklassige Erziehung … Ich lass mich nicht erziehen! Von niemandem!“
„Heißt das, ihr seid reich?“, fragt Carlotta neugierig.
„Stinkreich“, nickt Manu. „Mein Vater hat nichts Besseres zu tun, als jeden Tag in seinen Moneten zu baden. Wie Dagobert Duck, ich schwör’s!“
Carlotta und Sofie prusten los.
Manu lacht mit, aber dann wird sie wieder ernst. „Außerdem finden meine Eltern mich renitent und schwer erziehbar. Nur weil ich mich auf meiner vorigen Schule ein paarmal mit den Lehrern in die Wolle gekriegt hab.“
„Was bedeutet renitent?“, fragt Sofie.
„Aufsässig, widerspenstig, so was in der Art“, erklärt Carlotta.
„Ah, oui“, nickt Sofie. Sie stupst Manu mit dem Zeigefinger an. „Aber du bist wirklich ein bisschen aufsässig und widerspenstig, oder?“
„Na gut, okay. Ein kleines bisschen vielleicht“, grinst Manu. „Aber so bin ich nun mal. Ich kann nichts dafür. Ich hab einfach keine Lust dazu, immer Ja zu sagen und den Kopf einzuziehen.“ Sie kichert. „Der olle Brönne hat neulich zu mir gesagt, ich hätte einen sehr ausgeprägten Charakter, und eine Schule, die damit nicht umgehen könne, wäre eine schlechte Schule. Hoffentlich sagt er das auch mal meinen Eltern!“
„Aber wenn du immer so weitermachst und vom Internat fliegst“, wendet Carlotta ein, „wohin willst du dann? Deine Eltern schicken dich doch glatt auf das nächste Internat!“
„Ja, das hab ich mir auch schon überlegt.“ Manu hebt einen dürren Ast vom Boden auf und malt ein paar Kringel in den Staub. „Mein Vater hat eine ellenlange Liste mit Internaten, auf die er mich schicken könnte. Ein paar von ihnen sind sogar im Ausland. Dann wär ich noch weiter weg von zu Hause. Aber das will ich nicht. Zu Hause hab ich mein Pferd. Wenn ich das nicht wiedersehen darf …“ Sie bricht ab. Ihr Gesicht ist ganz traurig.
Carlotta überlegt, ob sie Manu vielleicht in den Arm nehmen soll, aber sie traut sich nicht.
„Du hast Sehnsucht nach deinem Tier, oui?“, fragt Sofie mitfühlend.
Manu nickt nur, bevor sie plötzlich zu weinen anfängt.
„Meine Eltern sind so gemein!“, schnieft sie und verbirgt das Gesicht in den Händen. „Nicht mal zum Besuchstag sind sie gekommen! Alle hatten Besuch von ihren Eltern, nur ich nicht!“
„Ich auch nicht“, sagt Sofie. „Meine Eltern hatten kein Geld für die weite Reise. Außerdem konnten sie ihr Restaurant nicht allein lassen.“
Manu hebt das Gesicht und räuspert sich. „’tschuldigung, das wusste ich nicht. Tut mir leid.“
„Ist schon gut“, winkt Sofie ab und holt tief Luft. Ihr Blick wandert zu einem unsichtbaren Punkt am anderen Ende des Glashauses. Auch sie sieht plötzlich schrecklich traurig aus.
Carlotta schweigt betreten. Sie weiß gar nicht, was sie sagen soll. Warum haben sie nur nicht früher darüber gesprochen? Bestimmt wär dann alles viel leichter gewesen!
„Zum Glück haben wir ja uns“, sagt sie schließlich. „Ist doch auch gut, oder?“
Manu und Sofie wenden ihr gleichzeitig die Gesichter zu. Manu wischt sich die Tränen ab und lacht. Sie rückt ein Stückchen näher heran.
„Freundinnen oder Feindinnen?“, fragt sie.
„Freundinnen!“, antworten Carlotta und Sofie, ohne zu zögern.
In seinem Nest hebt Mo den Kopf. Er guckt erstaunt, dann gähnt er und lässt seinen kleinen rosa Gaumen aufblitzen.
Carlotta, Sofie und Manu sitzen vor der Kiste und schauen zu, wie sich der kleine Hund an seine Geschwister kuschelt und wieder einschläft.
Alles ist gut, denkt Carlotta, solange man Freunde hat.
Seite an Seite bleiben die Mädchen sitzen und lauschen auf den Regen, der immer leiser auf das Glasdach prasselt. Erst als einer der Welpen anfängt zu winseln, steht Manu auf und wühlt in einer Tüte. Von dem Rascheln werden die anderen Welpen wach und versuchen aus der Kiste zu klettern.
„Ich muss sie noch mal füttern, bevor wir ins Schloss zurückgehen“, meint Manu und gähnt. „Helft ihr
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