Internat Lindenberg - Achtung, es spukt
Amerika, aber darunter war weder eine Emily noch eine Gibson. Und was sollte der Quatsch mit den hundertfünfzig Jahren? Damals war die Burg Lindenberg doch noch eine Ruine gewesen!
Den ersten Versuch, Antworten auf ihre Fragen zu finden, startete Leonie in der Schulbibliothek. Doch selbst das vierundzwanzigbändige Lexikon mit dem Goldschnitt enthielt keinerlei Hinweise auf eine Emily Gibson. So leicht ließ sie sich aber nicht entmutigen. Eine Suche im Internet führte fast immer zum Erfolg. Leonie setzte sich an einen der Computer in der Bibliothek und tippte den Namen ein. Wie erwartet, hatte sie Erfolg. Aber leider zu viel, es gab fast dreißigtausend Treffer! Bis sie die alle überprüft hätte, würde es mindestens eine Woche dauern. Sie versuchte es noch einmal in Verbindung mit dem Namen des Internats Lindenberg. Und machte ein langes Gesicht. Null Treffer. So kam sie nicht weiter. Zum Glück hatte Leonie längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Sie beschloss, das Treffen der Volleyballgruppe zu schwänzen, und machte sich stattdessen auf den Weg in die Stadt. Wenn es eine Antwort gab, würde sie die in der Stadtbibliothek finden. Zu ihrer Enttäuschung wollte keine ihrer Freundinnen mitkommen. Aber bitte, wenn die Besseres zu tun hatte n …
In der Bibliothek angekommen wusste sie aber nicht so richtig, wo sie anfangen sollte oder wonach sie überhaupt suchte. Unschlüssig ging sie zwischen den Regalen auf und ab und starrte ins Leere.
„Kann ich dir behilflich sein, Leonie?“, meldete sich eine freundliche Stimme hinter ihr. Leonie drehte sich um. Herr Wegener, der Stadtbibliothek und Stadtarchiv im Einmannbetrieb leitete, stand mit einem Bücherstapel unter dem Arm vor ihr. „Ich räume das nur noch schnell auf, dann stehe ich zu deiner Verfügung.“ Er sortierte sorgfältig seine Bücher in die Regale ein. Da Leonie schon häufiger in seinem Reich zu Gast gewesen war, kannte er sie gut.
„Gibt es hier irgendetwas über eine gewisse Emily Gibson?“, fragte Leonie ohne große Hoffnung auf Erfolg. „Sagt Ihnen der Name was?“
Herr Wegeners Miene verdüsterte sich und er legte seine Stirn in tiefe Falten. Das wollte etwas heißen, denn er war ohnehin nicht gerade der Jüngste und faltig wie ein Dackelwelpe.
„Willst du das wirklich wissen?“, fragte er mit tonloser Stimme. Leonie nickte erstaunt.
„Gibt es denn kein angenehmeres Thema? Woher kennst du überhaupt diesen Namen?“
„Ic h … Wir müssen da was für die Schule machen“, log Leonie aus dem Stegreif.
„Warum müssen die im Internat euch Mädchen immer mit diesen alten Horrorgeschichten quälen?“, seufzte er halb zu Leonie, halb zu sich selbst. „Aber gut, warte mal“, meinte er resignierend. „Ja, ich habe da was für dich.“
Kopfschüttelnd stapfte er durch die Regalreihen und verschwand durch eine Seitentür ins Archiv. Nach kurzer Zeit kam er mit zwei riesigen in schwarzes Leder gebundenen Mappen zurück. Er ließ sie auf den Schreibtisch plumpsen, der in einer Ecke der Bibliothek stand.
„Da findest du alles, was du suchst. Aber ich habe dich gewarnt, das ist keine angenehme Lektüre!“
Mit einem mulmigen Gefühl schlug Leonie die erste Mappe auf. Nach den merkwürdigen Andeutungen von Herrn Wegener war sie allerdings nur noch neugieriger geworden. Zu ihrer Überraschung enthielten die Mappen Zeitungen aus dem 19 . Jahrhundert, sorgfältig zusammengebunden. Sie warf einen Blick auf das Datum des ersten Exemplars. 1 . Juli 1857. War da nicht was gewesen? Sie dachte angestrengt nach. Ja, genau, auf dem Blatt stand etwas mit vor hundertfünfzig Jahren. Das passte schon mal. Aber was hatte das mit dieser Emily Gibson zu tun? Leonie blätterte drauflos und überflog jede einzelne Seite. Zum Glück war das örtliche Käseblatt im 19 . Jahrhundert ziemlich dünn gewesen, sodass sie einigermaßen zügig vorankam. Trotzdem war es eine ziemlich anstrengende Arbeit. Die Zeitungen enthielten keinerlei Bilder und waren in kleiner, altdeutscher Schrift gedruckt. Die Meldungen darin kamen aus einer anderen Zeit. Entweder sagten sie Leonie rein gar nichts oder sie waren unglaublich langweilig. Doch da, in der Ausgabe vom 16 . Juli 1857 stieß sie plötzlich auf die erste Spur. Zwischen einer Ankündigung zur öffentlichen Chorprobe des Männergesangvereins Harmonie und der Mitteilung, dass der König von Preußen am 24 . Juli der benachbarten Kreisstadt die Ehre seines Besuchs erweisen würde, stand unter der
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