Internat und ploetzlich Freundinnen
wirft den Kleiderbügel auf das nächstbeste Bett.
Mit spitzen Fingern hebt Carlotta ihn auf und hängt ihn in den Schrank zurück.
„Danke, Mami“, grinst Manu.
„Na warte! Morgen ist deine Schonzeit vorbei“, erwidert Carlotta. „Dann ist der Gips endlich ab.“
„Lieber Arm dran als Gips ab“, kichert Manu und schlüpft durch die Tür, bevor Carlotta sie erwischen kann.
„Dein Zug geht um zwanzig nach fünf. Herr Blum fährt dich zum Bahnhof.“ Frau Müller-Stürzelbach überreicht Sofie den Umschlag mit den Fahrkarten. „Richte deinen Eltern einen schönen Gruß aus und ruf bitte kurz an, wenn du zu Hause bist, damit wir wissen, dass du gut angekommen bist.“
Sofie verspricht es und verstaut den Umschlag sorgfältig in ihrem kleinen Rucksack. Die Schulsekretärin weist sie darauf hin, dass auch etwas Bargeld in dem Umschlag ist. „Falls du unterwegs etwas brauchst“, sagt sie lächelnd.
„Merci beaucoup“, sagt Sofie. „Vielen Dank. Ich werde alles zurückzahlen, sobald ich kann.“
„Darüber mach dir mal keine Gedanken.“ Frau Müller-Stürzelbach bringt sie zur Tür, wo Carlotta und Manu auf die Freundin warten. „Gute Reise.“
„Merci“, erwidert Sofie.
„Ist ja nett, dass Jonas’ Vater dich zum Bahnhof fährt“, meint Carlotta, als sie draußen vor dem Sekretariat stehen. „Ob er Manu und mich mitnehmen kann? Dann könnten wir dir zum Abschied winken.“
„Nein, lieber nicht“, sagt Sofie. „Ich hasse Abschiede!“
„Ich auch“, brummelt Manu. „Muss nicht sein. Wann kommst du denn wieder?“
Sofie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Weiß ich noch nicht. Dr. Brönne hat gesagt, ich darf so lange wie nötig bleiben. Es hängt davon ab, wie lange meine Maman im Krankenhaus bleiben muss und wie schnell sie sich von der Operation erholt.“
„Klar“, sagt Carlotta.
Sie schlendern über den Schlosshof und durch den Park in Richtung See. Bis zum Beginn des Nachmittagsunterrichts haben sie noch etwas Zeit.
„Wollen wir uns auf den Steg setzen?“, fragt Carlotta. „Die Sonne scheint so schön.“
Auf dem See ziehen zwei Ruderboote ihre Bahnen. Ein kleines Motorboot folgt ihnen. Herr Dunker steht darin und ruft seinen Schülern Anweisungen durch ein Megafon zu. Carlotta erkennt Brendan und ein Mädchen aus ihrer ehemaligen Ruder-AG. Die beiden trainieren in jeder freien Minute mit ihren Booten.
Der Spargel und seine Spitzenruderer … Carlotta lächelt. Es hat sich also nichts geändert.
Sie setzt sich auf den warmen Bootssteg und lässt die Beine baumeln. Sofie und Manu machen es ihr nach.
„Seht mal“, sagt Manu. „Da hinten ist Jonas und tut so, als würde er angeln.“
Sie winkt und ruft, aber Jonas ist zu weit entfernt und hört sie nicht. Der blonde Junge hockt auf einem Stein am anderen Ende des Sees und blickt hochkonzentriert auf seine Angel.
Carlotta weiß, dass weder ein Haken noch ein Köder daran befestigt sind. Jonas betrachtet Angeln mehr als Zeitvertreib und nicht als Möglichkeit, Fische an Land zu ziehen.
Eine Weile schweigen die Freundinnen, blinzeln faul in die Sonne und genießen die Ruhe am Wasser. Dass Sofie in ein paar Stunden nicht mehr da ist, kann Carlotta sich noch gar nicht richtig vorstellen.
„Du, sag mal …“, beginnt sie zögernd. „Warst du zufällig vor ein paar Tagen in dem kleinen Wäldchen am Park?“
Sofie macht ein ertapptes Gesicht.
„Ja“, nickt sie schließlich. „Ich wollte allein sein. Als ich dich gesehen hab, bin ich weggelaufen. Doof, oder?“
„Nö“, meint Carlotta. „Find ich gar nicht. Tut mir leid, dass ich dich gestört hab.“
Sofie lächelt.
Plötzlich zeigt Manu mit gestrecktem Zeigefinger hinaus auf den See und prustet los: „Ey, krass! Lehrer über Bord!“
Erschrockene Rufe dringen bis ans Ufer. Das kleine Motorboot der Ruder-AG zieht führerlos seine Kreise. Carlotta traut ihren Augen nicht. Der Spargel ist tatsächlich ins Wasser gefallen!
Wild mit den Armen um sich schlagend, nimmt der Lehrer kraulend die Verfolgung seines Bootes auf und versucht vergeblich, es zu erreichen. Jedes Mal, wenn er nach einem herunterhängenden Tampen greift, flutscht der ihm wieder aus der Hand.
Brendan sitzt in seinem Ruderboot und krümmt sich vor Lachen. Auch Jonas löst endlich den Blick von seiner Angel und schaut auf.
„Müssen wir dem armen Spargel nicht irgendwie helfen?“ Carlotta springt auf.
„Wie denn?“, fragt Manu zurück.
„Keine Ahnung“, gibt Carlotta
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