Internat und ploetzlich Freundinnen
bestätigt Carlotta mit einem schwachen Nicken. Sie angelt ihr Hörnchen aus dem Becher und leckt es sorgfältig ab. „Wann ist der noch mal?“
„In drei Wochen“, sagt Manu. „Und mach dir keine Sorgen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es tatsächlich Schüler gibt, die diesen wichtigen Termin vergessen sollten, bekommen die Eltern zusätzlich eine schriftliche Einladung.“
„Na, so ein Glück“, stöhnt Carlotta. „Ich glaub, ich sag’s meiner Mutter lieber persönlich. Sonst denkt sie womöglich noch, ich will ihr was verheimlichen. Ich ruf sie heute Abend gleich mal an.“
„Besser ist das“, nickt Manu und wischt sich den Mund mit dem Ärmel ab.
„Kommen deine Eltern auch?“ Carlotta stellt ihr Geschirr zusammen und steht auf.
„Ja, stell dir vor! Zum ersten Mal, seit ich auf Prinzensee bin! Ich glaub, die sind misstrauisch, weil sich so lange niemand über mich beschwert hat.“ Manu gluckst leise.
„Bestimmt wollen sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, was für ein braves Mädchen du geworden bist“, kichert Carlotta. „Keine Missbilligungen und keine Tadel mehr, nur hin und wieder mal ein paar Strafarbeiten. Direkt vorbildlich!“
„Und Strafarbeiten zählen nicht“, behauptet Manu. „Oder etwa doch?“
Carlotta schnappt sich ihren Rucksack. „Nö“, sagt sie. „Ich glaub nicht. Deine Eltern können echt stolz auf dich sein.“
Auf dem Weg zum Klassenzimmer kommen sie am Aufenthaltsraum der Oberstufe vorbei. Die Schüler haben den Raum selbst eingerichtet und mit alten Sesseln, Sofas und Teppichen ausgestattet. An den Wänden hängen Poster von Rockbands und selbstgemalte Bilder aus dem Kunstleistungskurs. Ein schwarzhaariger Junge hockt auf der Kante eines zerschlissenen Sessels, den Kopf in beide Hände gestützt, und stöhnt laut vor sich hin. Zwei Mitschüler stehen neben ihm.
„Ich fass es nicht“, presst er hervor. „Das kann doch nicht sein! Ich bin so ein Idiot!“
Ein blondes Mädchen beugt sich zu ihm hinunter und legt ihm eine Hand auf die Schulter. „Bist du sicher, dass es eben noch da war?“
Der Junge nickt heftig. „Ich war nur ganz kurz nebenan, um mir einen Cappuccino zu holen. Die Geldkassette war in meinem Rucksack, und der stand hier hinter dem Sessel.“
„So ein Mist!“, flucht ein anderer Junge.
Carlotta und Manu bleiben stehen.
„Tschuldigung“, sagt Manu und klopft an den Türrahmen. „Darf man fragen, was passiert ist?“
„Jemand hat unsere Klassenkasse gestohlen“, sagt das blonde Mädchen. „Simon hatte die Geldkassette gerade aus dem Schließfach geholt. Er wollte das Geld in einer Freistunde zur Bank bringen.“
„Und jetzt ist es weg! Nur weil ich ein paar Sekunden nicht aufgepasst hab!“ Der schwarzhaarige Junge, der offenbar Simon heißt, holt aus und tritt mit dem Fuß gegen einen Tisch. Sein Gesicht ist vor Wut verzerrt.
„Hör auf. Das bringt doch nichts“, versucht der andere Junge ihn zu beruhigen. „Lasst uns lieber gleich zu Dr. Brönne gehen. Er muss die Polizei benachrichtigen. In der Kassette waren immerhin über vierhundert Euro.“
„So viel?“ Carlotta schnappt nach Luft.
Das große Mädchen nickt. „Die Einnahmen des letzten Schulfestes und ein Überschuss von unserer Klassenfahrt nach Berlin.“
Carlotta und Manu starren sich an. Der Dieb hat wieder zugeschlagen! Und diesmal richtig!
„Junge, Junge …“, murmelt Manu.
Simon steht auf und wühlt in seinem Rucksack.
„Du kannst noch so oft nachsehen, Sim“, sagt das Mädchen, „davon kommt das Geld auch nicht zurück.“
„Ich weiß.“ Simon stöhnt auf. „Kommt ihr mit zum Direx?“
„Klar“, nickt seine Freundin.
Der andere Junge klopft ihm auf die Schulter. „Logo, Alter.“
„Viel Glück!“, ruft Manu ihnen nach, als die drei sich auf den Weg zum Sekretariat machen. „Vielleicht taucht das Geld ja wieder auf!“
„Schön wär’s“, seufzt Simon und winkt. „Aber ich glaub nicht mehr an den Weihnachtsmann.“
„Unglaublich“, sagt Carlotta. „Ich hab direkt Gänsehaut gekriegt. So viel Geld!“
„Ja, schöner Mist.“ Manu schultert ihren Rucksack und biegt um die Ecke. Sie müssen sich beeilen. Es hat schon zum Unterrichtsbeginn geläutet.
Im Flur kommen ihnen zwei ältere Mädchen entgegen. Beide sind groß und schlank, haben lange Haare und tragen Kapuzenpullis. Man könnte sie fast für Zwillinge halten. Offenbar haben sie es eilig. Sie schieben sich an Carlotta vorbei, wobei eins der Mädchen
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