Internat und ploetzlich Freundinnen
sie unsanft anrempelt.
„Hey, pass auf, wo du hinläufst!“, protestiert Manu sofort.
„Pass doch selber auf!“, zischt das Mädchen zurück.
Carlotta schaut den beiden hinterher. Sie hat sie noch nie im Internat gesehen. „Kanntest du die?“
„Nee, nicht wirklich“, sagt Manu. „Die machen hier ein Praktikum, hab ich gehört, und gucken sich alles an. Ich glaub, die eine heißt Pia. Wie die andere heißt, weiß ich nicht. Ich hab sie aber schon ein paarmal in der Küche und im Stall gesehen.“
„Ach so“, sagt Carlotta.
„Nun komm endlich!“ Manu zieht sie am Ärmel hinter sich her und öffnet die Tür zum Physikraum.
„Hereinspaziert, meine Damen!“, ruft Herr Rüttli fröhlich, als sie versuchen, sich schnell und möglichst unauffällig auf ihre Plätze zu schieben. „Wie schön, dass ihr euch entschieden habt, an meinem Unterricht teilzunehmen. Ihr kommt gerade rechtzeitig. Wir schreiben einen kleinen Test!“
„Oh nein!“, stöhnt Manu.
„Oh doch!“, strahlt der Lehrer.
„Das kann er doch nicht machen! Ein unangekündigter Physiktest!“, regt Manu sich nach der Stunde auf. „Ich wette, ich hab ihn komplett verhauen! Null Punkte, ’ne glatte Sechs. Wollen wir wetten?“
„So schlimm wird’s schon nicht sein“, sagt Carlotta. Obwohl der Test überraschend kam, hat sie ein gutes Gefühl. „Und außerdem wette ich nicht.“
Manu trabt mit grimmigem Gesicht neben ihr her zur Sporthalle. Wegen ihres gebrochenen Arms ist sie noch vom Sportunterricht befreit.
„Wieso das denn?“, rümpft Nadine die Nase. „Der Gips ist doch ab!“
„Ja, leider“, grummelt Manu. „Er würde bestimmt perfekt auf deine kleine Nase passen!“
„Na, na …“, sagt Herr Dunker streng. „Ich darf doch bitten.“
„Worum?“, fragt Manu.
„Darum, dass du dich benimmst und den anderen hilfst. Wir spielen Volleyball“, erwidert Herr Dunker. „Das Ballnetz kannst du mit deiner gesunden Hand tragen. Und damit es dir nicht zu langweilig wird, darfst du Assistentin des Oberschiedsrichters sein.“ Er reicht ihr eine Trillerpfeife.
„Cool“, meint Manu. „Und wer ist der Oberschiedsrichter?“
„Ich“, erwidert der Spargel trocken. Er dreht sich um und hilft den Mannschaften beim Aufbau der Netze. Manu schaut ihm sprachlos hinterher.
„Irgendwie haben die Lehrer es heute auf mich abgesehen, das spür ich ganz deutlich“, beschwert sie sich in der großen Pause. „Hab ich irgendwas an mir? Vielleicht ein Schild, auf dem steht: ‚Tritt mir ruhig in den Hintern. Ich mag das.‘?“
„Nö“, meint Carlotta. „Nichts zu sehen. Es gibt einfach solche Tage. Die fangen schon gebraucht an.“
Manu nickt düster. „Gleich haben wir Erdkunde. Ich bin echt gespannt, was als Nächstes passiert.“
„Arme Manu“, sagt Carlotta mitfühlend. „Ich hoffe, es wird nicht allzu schlimm.“
Herr Rüttli unterrichtet neben Physik auch Erdkunde im sechsten Jahrgang. Er fordert die Klasse auf, die Bücher aufzuschlagen, und bittet Manu mit einem Lächeln, nach vorne zu kommen, um etwas über die Europäische Union zu erzählen und die dazugehörigen Länder auf der Karte zu zeigen.
„Hilfe!“, flüstert Manu Carlotta zu, als sie aufsteht. „Kann man gebrauchte Tage umtauschen?“
Carlotta schüttelt den Kopf.
„Leider nicht“, flüstert sie zurück. „Die muss man einfach verbrauchen und abhaken.“
„Noch so ’n Ding, und ich melde mich für den Rest der Woche krank!“, schimpft Manu wenig später wie ein Rohrspatz.
„Mensch, Manu …“, fleht Carlotta. „Nun beruhig dich mal. Die anderen gucken schon!“
Sie stehen in der Reihe vor der Essensausgabe und warten darauf, sich die Teller füllen zu lassen. Heute gibt es Milchreis mit Zimt und Zucker – eins von Carlottas absoluten Lieblingsessen.
„Ich will mich aber nicht beruhigen!“, meckert Manu weiter.
„Dann stell dich gefälligst woanders an“, zischt Carlotta ihr zu. „Ist ja peinlich!“
Eingeschnappt schiebt Manu das Tablett vor sich her und würdigt Carlotta keines Blickes mehr.
„Stress?“, erkundigt sich Brendan. Er steht hinter Carlotta und schaut ihr über die Schulter wie ein treuherziger Dackel. Carlotta muss grinsen. Gleichzeitig fragt sie sich, ob es Zufall sein kann, dass er ständig hinter ihr auftaucht. Warum macht er das? Sie runzelt die Stirn und schüttelt leicht den Kopf. „Manu ist heute nur ein bisschen schräg drauf“, erwidert sie. „Kein Grund zur Sorge.“
„Na dann …“, meint
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