Internat und ploetzlich Freundinnen
aber wahrscheinlich hat er noch nicht mal ihre letzte Mail gelesen. Dafür hat Katie ihr eine e-Card geschickt, ein Foto von einem Filmstar, für den sie seit einiger Zeit schwärmt. Darunter hat sie geschrieben:
Ist er nicht süüüüß??
Was macht Euer Dieb?
Hab Dich lieb!
Meld Dich mal!
K.
Carlotta verzieht das Gesicht. Manchmal sind Katies Mails echt unmöglich! Ihre Finger fliegen über die Tastatur, als sie die Antwortmail schreibt:
Liebe Katie,
danke für Deine – haha! – lange Mail. Du weißt ja, dass ich nicht so auf Robert Pattinson stehe, aber er sah echt schon mal besser aus, finde ich.
Unser Dieb macht das, was Diebe am liebsten tun: Er klaut. Heute hat er zum dritten Mal zugeschlagen. Langsam finde ich das echt gruselig.
Sofie ist bei sich zu Hause in Belgien. Ich hoffe, es geht ihr gut. Leider hat sie dort keine E-Mail, sonst könntest Du ihr das Foto von Robert schicken. Ich glaub, sie steht auch auf ihn.
Manus Gips ist inzwischen ab. Jetzt ist sie wieder wie vorher: schlecht gelaunt und muffelig. Ganz normal eben, nur ohne Gips.
Mehr Neues hab ich nicht erlebt. Bald ist Elterntag. Frag doch mal Deine Eltern, ob Du mit meiner Mutter und dem Nilpferd herkommen kannst. Dann sehen wir uns wenigstens mal wieder.
Mach’s gut, träum schön von Mr Pattinson und schreib mal wieder.
Hab Dich auch lieb,
Deine Freundin Carlotta
Sie klickt auf Senden und beendet das Programm. Zum Internetsurfen hat sie keine Lust mehr.
Die beiden Fünftklässler sitzen in einer Ecke und warten darauf, dass ein Platz frei wird. Carlotta winkt sie heran. Sie springen sofort auf.
„Von wegen zwei Stunden“, grinst der eine.
„Ging schneller, als ich dachte“, grinst Carlotta zurück und überlässt ihm ihren Platz.
Die beiden Jungs bedanken sich überschwänglich.
Manchmal ist es schrecklich einfach, eine gute Tat zu tun, denkt Carlotta und schnappt sich ihren Rucksack, um nachzusehen, ob Manu sich wieder beruhigt hat. Die schmollt zwar gerne, aber zum Glück nie besonders lange.
Am Ende der Woche ist der kleine Streit zwischen Carlotta und Manu längst vergessen. Die beiden sitzen einträchtig nebeneinander im Biologiesaal und versuchen sich auf den Unterricht zu konzentrieren und gleichzeitig wach zu bleiben. Das ist gar nicht so einfach, denn erstens ist es die erste Stunde und nach Carlottas und Manus Meinung eindeutig viel zu früh für zwei so durchschnittliche Gehirne wie ihre, um sich auf einen langweiligen Naturfilm zu konzentrieren, und zweitens sind die Jalousien heruntergelassen.
Der Raum ist komplett abgedunkelt – bis auf die helle Leinwand vorne an der Wand, auf der ein Film über Muscheln flimmert. Muscheln! Als ob die Tierwelt nichts Spannenderes zu bieten hätte!
Carlotta verengt die Augen zu Schlitzen und bemüht sich, in der Dunkelheit einigermaßen lesbare Notizen zu machen. Sie ahnt jetzt schon, dass sie ihre eigenen Hieroglyphen später ganz sicher nicht mehr entziffern kann, und hört auf zu schreiben. Neben ihr ist Manu auffallend ruhig. Weder schreibt sie mit, noch isst sie irgendwas. Sie zappelt auch nicht herum und plappert nicht wie sonst üblich vor sich hin. Nur tiefe, leise, sehr gleichmäßige Atemgeräusche sind von ihr zu hören.
Carlotta stupst sie mit dem Ellbogen an und flüstert: „Hey, schläfst du etwa?“
Manu antwortet mit einem leisen Schmatzen, das nahtlos in gedämpftes Schnarchen übergeht.
Carlotta hält sich eine Hand vor den Mund, um nicht laut loszuprusten. Manu ist tatsächlich eingeschlafen!
Wieder stupst sie sie an, diesmal etwas energischer.
Manu knurrt unwillig, aber Carlotta lässt nicht locker. Wenn sie Manu jetzt nicht wachbekommt, muss sie ihr später ihre Notizen zum Abschreiben geben, aber die sind so grottenschlecht und lückenhaft, dass sie beide eine glatte Fünf dafür kassieren würden, mindestens.
„Mensch, Manu …“, flüstert sie eindringlich. „Wach endlich auf!“
„Lass mich“, grummelt Manu. „Ich träum grad so schön.“
Carlotta bohrt ihr den Ellbogen zwischen die Rippen.
Endlich schlägt Manu die Augen auf und gähnt. „Hab ich was verpasst?“
„Ja“, zischt Carlotta. „Das Fortpflanzungsverhalten der Kammmuscheln!“
Manu prustet los.
„Carlotta und Manuela!“, kommt eine strenge Lehrerinnenstimme aus dem Dunkeln. „Bitte verlegt euer Privatgespräch auf die Pause und konzentriert euch auf den Film!“
Carlotta und Manu ducken sich gleichzeitig, obwohl Frau Dische sie ganz bestimmt nicht sehen kann. Sie
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