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Internet – Segen oder Fluch

Internet – Segen oder Fluch

Titel: Internet – Segen oder Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Sascha Lobo
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waren das noch die «Onliner» und die «Offliner», aber weil demnächst selbst Heizdecken einen Internetanschluss mitbringen werden [1] , verläuft die aktuelle Grabenversion zwischen «Digital Natives» und «Digital Immigrants». Wohlwollend interpretiert dient dieses Konzept der Verständigung. Die Begriffe tragen ja dem Umstand Rechnung, dass man den Umgang mit dem Internet in einem gewissen Alter nicht mehr so locker nebenbei lernt wie als Kind und Jugendlicher – und das Wissen um eben diesen Unterschied könnte die Toleranz im Umgang durchaus fördern. Allerdings sind solche Begriffe nicht ohne Tücken: Während man auf dem Weg vom «Offliner» zum «Onliner» nur ein paar geistige und technische Hürden zu überwinden brauchte, wird ein Immigrant aber zeitlebens einer bleiben. Das entmutigt einerseits Menschen, die ganz gern im Internet heimisch werden würden. Und es erlaubt anderen, die keine Lust auf eine Auseinandersetzung mit dem Netz haben, die Entwicklung tatenlos an sich vorbeiziehen zu lassen – schließlich haben sie ja in der Zeitung gelesen, dass sie sich im Internet sowieso nie mehr einleben werden.
    Die alternativen Begriffe
Digital Visitors
und
Digital Residents
suggerieren zwar immer noch eine Schwarz-Weiß-Welt, aber immerhin eine mit flexiblerer Rollenwahl: Jeder ist irgendwo zu Hause und an den meisten anderen Orten nur zu Besuch. Aufs Netz übersetzt bedeutet das, dass sich (anders als bei der Migrantenmetapher) die Gruppenzugehörigkeit relativ leicht ändern lässt, indem man sich mehr mit dem Internet beschäftigt und so vom Besucher zum Bewohner wird. Es heißt aber auch, dass man nicht an beliebig vielen Orten gleichzeitig heimisch sein kann. Wer sich im Internet von 1995 bewegte wie ein Fisch im Wasser, der muss sich deshalb in den sozialen Netzwerken der nuller Jahre noch lange nicht zu Hause fühlen. Und wer mit Facebook gut zurechtkommt, der empfände vielleicht Twitter als Zumutung (wenn er es nutzen würde) und Google+ als steril (wenn er es kennen würde).
    Würde die Vorstellung temporärer Daseinszustände die von unverrückbarer Gruppenzugehörigkeit ablösen, wäre also schon mal ein Schritt in Richtung Verständigung getan. Aber wenn wir der unpraktischen Komplexität menschlichen Herummeinens Rechnung tragen wollen, reichen auch zwei Schubladen nicht aus. Was die Haltung der Menschen zum Netz betrifft, stellte das «Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet», ein Ableger der Deutschen Post, in einer Anfang 2012 veröffentlichten Studie sieben Gruppen vor: «Internetferne Verunsicherte», «Ordnungsfordernde Internet-Laien», «Verantwortungsbedachte Etablierte», «Postmaterielle Skeptiker», «Effizienzorientierte Performer», «Unbekümmerte Hedonisten» und «Digital Souveräne». Der Autor und Think-Tank-Gründer Robert Atkinson macht allein in den Debatten um die US -Netzpolitik acht verschiedene Milieus aus. [3] Mit nur ein wenig Recherche ließen sich sicher Studien finden, die die Menschheit in neun, zehn, elf oder achtunddreißig Kategorien einteilen, es fehlen eigentlich nur noch «Internetnutzer, die dem Kaiser gehören».
    Und da das Internet aus vielen verschiedenen Welten, Aspekten und Möglichkeiten besteht, geht kaum jemand in nur einer einzigen Gruppe auf. Wer soziale Netzwerke etwas ausführlicher nutzt, wird feststellen, dass Freunde, mit denen er sich bisher in allen wichtigen Fragen einer Meinung glaubte, dort regelmäßig Überraschendes kundtun. Kaum hat man sich mühsam die Vorstellung einer verbindenden Netzavantgarde gebildet, stellt sich auch schon heraus, dass man in Wirklichkeit von regulierungsfreudigen CDU -Wählern umgeben ist, und Freunde, mit denen man sich eben noch über die Wichtigkeit des Datenschutzes einig war, wandern plötzlich zu Facebook ab. Dank der menschlichen Fähigkeit, an mehrere unvereinbare Dinge gleichzeitig zu glauben, kann sich jeder problemlos für einen Freund des Neuen und des Fortschritts halten, während er zugleich ein Internet in den Grenzen von 1995 fordert. Die populäre Vorstellung eines «Wir gegen die Anderen» zerfällt im Netz mehrmals täglich in neue, unerwartete Einzelteile.
    Das bedeutet, dass man sich den im eigenen Umfeld vorgebrachten Ansichten und Forderungen nicht ohne weiteres Nachdenken anschließen sollte. Und auch die Gegenseite ist nicht der geschlossene Block, den Begriffe wie «die Netzgemeinde» oder «das Internet» versus «Urheberrechtsmaximalisten» oder

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