Internet – Segen oder Fluch
Wird durch Liquid Democracy, Piratenpartei und twitternde Politiker alles besser? Oder ist das nur Kommunikationskosmetik, und die parlamentarische, repräsentative Demokratie lässt sich auch durch das Netz so schnell nicht ändern? Es folgt ein Kapitel über den Handlungsrahmen der Politik, also über Regulierung. Wo und wie kann, darf, soll die Politik in das Internet eingreifen? Die Streitigkeiten darüber gehören zu den heftigsten, aber auch wirkungsvollsten Internet-Debatten. Wirkungsvoll insofern, als hier der öffentliche Diskurs messbare Folgen hat.
Das zwölfte Kapitel handelt vom Datenschutz. Ist die Privatsphäre längst weg, und wir haben uns nur noch nicht damit abgefunden? Oder kann entschlossenes Eingreifen des Gesetzgebers das Ruder noch herumreißen? Die Fronten verlaufen bei dieser Diskussion nicht entlang abgesteckter Lagergrenzen wie progressiv und konservativ, ahnungslos und hochinformiert, Feuilletonautoren und Techniker, sondern ganz woanders.
Nach dem Umgang mit persönlichen Daten im Netz geht es um den Umgang der Personen im Datennetz miteinander, im Kapitel über Soziales, Nähe und Entfremdung. Kommen wir durch das Netz einander näher, beginnt ein empathischeres Zeitalter, wie Jeremy Rifkin 2009 schrieb? Und wie verträgt sich das mit den Vereinsamungstheorien der achtziger und neunziger Jahre, die seit 2010 einen neuen Schub bekommen haben, obwohl oder weil die sozialen Medien unglaubliche Verbreitung erfuhren?
Die sozialen Medien, zu deren Grundfunktionen das Teilen von Inhalten gehört, bohren in einer schon lange schwärenden Diskussionswunde. Das Urheberrecht wurde ab 2011 , nicht zufällig mit den ersten Parlamentseinzügen der Piratenpartei, Gegenstand noch heftigerer Auseinandersetzungen als bisher und ist Thema unseres vierzehnten Kapitels. Digitale Kopien machen ohne Qualitätsverlust aus einem Ding zwei. Die bisherigen Gesetzes- und Geschäftsmodelle sowie Moralvorstellungen wollen zu dieser neuen Situation nicht mehr so recht passen. Oder?
Danach geht es um Filter- und Empfehlungsalgorithmen und um die Frage, ob wir uns von der Intuition und der Vielfalt menschlicher Empfehlungen zugunsten einer intransparenten, maschinengemachten Auswahl verabschieden. Führt diese Entwicklung zu einer Einengung unseres Horizonts? Sitzt das Problem im Kopf? Oder gibt es vielleicht gar kein Problem? Das sechzehnte und letzte Kapitel schließlich behandelt die Herrschaft der Maschinen. Werden wir selbst zur Maschine, sind wir Sklaven der Technik? Wie gefährlich ist die Benutzung von Ziehbrunnen? Sind Gesellschaft und warme Pullover vielleicht auch nur Technik? Am Ende steht ein Nachwort, in dem wir die ungeborenen Kapitel dieses Buchs betrauern.
Auch diesmal wird es wieder aufmerksame Leser und Rezensenten geben, denen auffällt, dass beide Autoren, trotz des Versuchs der Vermittlung in diesem Buch, hin und wieder das Digitale mehr loben als das bedruckte Papier, die Buchform und die klassische Verlagslandschaft. Vorwürfe der inkonsequenten Lebensführung werden nicht ausbleiben. David Weinberger wünschte sich in seinem letzten Buch «Too Big to Know» einen vorgefertigten Standardabsatz zur Rechtfertigung des Bücherschreibens, «den alle Autoren nicht-pessimistischer Bücher über das Internet einfach einfügen können». Weil es diesen Absatz noch nicht gibt, verweisen wir stattdessen auf Theodor Fontane, in dessen «Effi Briest» sich die beiden Romanfiguren Innstetten und Golchowski im späten 19 . Jahrhundert darüber unterhalten, dass der Fürst Bismarck ausgerechnet eine Papiermühle betreibt. «‹Ja›, sagte Golchowski, ‹wenn man sich den Fürsten so als Papiermüller denkt! Es ist doch alles sehr merkwürdig; eigentlich kann er die Schreiberei nicht leiden, und das bedruckte Papier erst recht nicht, und nun legt er doch selber eine Papiermühle an.› ‹Schon recht, lieber Golchowski›, sagte Innstetten, ‹aber aus solchen Widersprüchen kommt man im Leben nicht heraus. Und da hilft auch kein Fürst und keine Größe.›» [1]
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1. Null oder Eins? – Ja.
Über Verständigungsschwierigkeiten
Warum müssen Diskussionen über Heizungsbau nur immer in persönliche Beleidigungen und wüste Unterstellungen ausarten?
Daniel R./@kchkchkch, Twitter, 6 . Juli 2009
Wenn wir von unserem Plan berichteten, dieses Buch zu schreiben, äußerten unsere Gesprächspartner nicht selten die Hoffnung, es werde uns darin gelingen, den komischen
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