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Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod

Titel: Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Domian
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unseres Gespräches gesagt hast, noch nicht schlüssig beantwortet wurde.
    Welche Frage ist das?
    Wenn ich ein Leben lang ein schlechter Mensch war, das heißt, ich habe gelogen und betrogen und habe mich maßlos meinen Begierden hingegeben. Welche Auswirkungen hat dies auf mein Sterben und auf das, was nach dem Tod kommt?
    Die Antwort darauf musst du in dir selbst finden. Kein Meister, keine Religion darf darüber etwas sagen – und schon gar nicht ich.

9
    Wie schreibt man über das Leiden und das Sterben eines geliebten Menschen, ohne allzu viele intime Einzelheiten preiszugeben? Mein Vater ist tot – und folglich kann ich ihm diesen Text nicht mehr zur Autorisierung vorlegen. Ich stehe also vor einem großen Problem. Einerseits möchte ich darüber erzählen, denn mein Thema ist ja der Tod und das Ableben meines Vaters war für mich ein ungeheures Ereignis, andererseits darf ich meinem verstorbenen Vater nicht zu nahe treten. Eine schmale Gratwanderung also. Ich will versuchen, sie zu meistern.
     
    Zehn Jahre lang litt mein Vater an Krebs. Er hat dreiundzwanzig Operationen und fünf Chemotherapien durchgestanden. Am Ende war er so ausgemergelt, dass er dem Tod nichts mehr entgegensetzen konnte und wollte. Er hatte weder Angst vor dem Sterben noch vor dem Tod selbst, was für meine Mutter und mich bis heute tröstlich ist. Er wollte gehen. »Mein Leben ist ausgelebt«, sagte er in der Sterbewoche zu mir. Er konnte loslassen, und das uneingeschränkt. Er hatte alles geregelt, alles gesagt, alles abgeschlossen. Dies allein aber verhilft einem Menschen noch nicht zu einem schnellen Sterben und baldigem Tod. Die letzten Monate, Wochen und vor allem Tage waren äußerst leidvoll.

     
    Trotz bestmöglicher Schmerztherapie und hervorragender ärztlicher Betreuung. Als der Todeskampf zu Ende war, schon wenige Minuten nach seinem letzten Atemzug, sah mein Vater so schön aus, so entspannt, wie ich ihn seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
     
    Alles liegt nun schon eine beträchtliche Zeit zurück, aber noch immer fällt es mir schwer, zu seinem Grab zu gehen, seinen Namen dort auf dem Grabstein zu sehen, sein Geburts- und sein Sterbedatum zu lesen. Mein Vater verstarb vier Monate nach seinem achtzigsten Geburtstag. Ein respektables Alter, zugegeben, aber ich konnte und kann in dieser Tatsache keinen Trost finden. Denn meinen Vater gibt es nicht mehr. Wenn ich an ihn denke, habe ich immer sofort seine Leidenszeit vor Augen. Und alles tut mir so unendlich leid. Er hat zehn Jahre dem Tod in die Augen geblickt, war oft am Ende seiner Kräfte, hat sich mit preußischer Disziplin immer wieder aufgerafft und wusste doch von Anfang an, dass er den Kampf verlieren würde. Die große Frage war nur: Wann? Wenn ich heute versuche, mich in ihn hineinzuversetzen, überkommt mich eine erdrückende Traurigkeit. Was ein Mensch alles auszuhalten im Stande ist. Gerührt und zugleich beeindruckt bin ich im Nachhinein, wie er trotz der enormen körperlichen und seelischen Belastungen immer wieder auf das Leben zuging und wie er sich freuen konnte, über die Frühlingssonne
zum Beispiel, die blühenden Linden an unserer Straße oder den Ruf der Wildgänse am fernen Himmel. Oder auch über eine Currywurst. Zwei Jahre vor seinem Tod hatte er die schwerste Operation seiner Krankengeschichte zwar überstanden, war jedoch in schlechter Verfassung. Meine Mutter und ich besuchten ihn jeden Tag im Krankenhaus. Da ich Urlaub hatte, konnten wir zusammen täglich sieben bis acht Stunden bei ihm sein. Worüber er sich natürlich freute, das spürten wir schon, aber er kam nicht zu Kräften. Er lag apathisch in seinem Bett, trank ab und zu etwas, hatte aber gar keinen Appetit. Allerdings sollte und musste er dringend etwas essen, so der Rat seines Chirurgen. Die Tage vergingen quälend langsam, und meine Mutter und ich versuchten ihn zumindest zu ein paar Löffeln Suppe oder Kartoffelbrei zu überreden. Jedoch vergeblich. Er wollte einfach nichts zu sich nehmen. Und dann sagte ich, fast im Scherz: »Oder soll ich dir vom Büdchen draußen eine Currywurst holen?« Ohne lange zu überlegen, nickte er und meinte, man könne es ja mal versuchen. Die Currywurst wurde ein Riesenerfolg. Er aß sie tatsächlich binnen Kürze auf, strahlte uns an und sagte später zu mir: »Die Currywurst hat mich zurückgeholt, ich hätte sonst nichts mehr gegessen.«
     
    Wenn ich heute an die zehn Krankheitsjahre zurückdenke, kommt mir vieles irreal vor. Ich sehe

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