Interview mit dem Tod - Domian, J: Interview mit dem Tod
seitliche Bepflanzung ungestört bleibt.
Ich war von allem sehr beeindruckt. Regelrecht gerührt war ich von folgender Geschichte, die uns die Stationsleiterin erzählte: Ein kurz zuvor verstorbener Patient hatte mehrere Pferde besessen und war zeit seines Lebens ein großer Pferdefreund gewesen. Immer wieder hatte er den Ärzten und Schwestern von seinem Lieblingspferd erzählt und den Wunsch geäußert, dieses Tier doch noch einmal sehen zu können. Ein Krankentransport zum Pferdestall war allerdings nicht mehr möglich. Sein Zustand verschlechterte sich täglich und das Bett hätte er ohnehin nicht mehr verlassen können. Also organisierten die Mitarbeiter des Dr. Mildred Scheel Hauses zusammen mit den Angehörigen des Patienten den Transport des Pferdes
zur Universitätsklinik Köln. Man führte das Pferd in die Gartenanlage der Palliativstation und schob das Bett des todkranken Mannes auf die Terrasse. Als der Mann sein Pferd sah, habe er sein Glück kaum fassen können und sei in Tränen ausgebrochen. Zwei Stunden später verstarb er.
Auf allen Palliativstationen Deutschlands sind die Mitarbeiter und ehrenamtlich Tätigen bemüht, den Schwerstkranken oder Sterbenden ihre letzte Zeit so schön und würdevoll wie möglich zu gestalten. Im Dr. Mildred Scheel Haus gibt es zum Beispiel einen so genannten Meditationsraum, der für Gottesdienste, Andachten oder kleine Musikveranstaltungen genutzt wird. Die Patienten, die nicht mehr gehen können, werden in ihren Betten dorthingebracht und haben so die Möglichkeit, noch einmal an einem ihnen wichtigen Ereignis teilzunehmen. Auch Trauungen fanden dort schon statt, wenn Schwerkranke ihren Partner oder ihre Partnerin noch vor dem Ende heiraten wollten. Ebenso letzte Geburtstagsfeiern oder auch Taufen.
Ist ein Mensch verstorben, so dürfen die Angehörigen noch lange mit dem Toten im Krankenzimmer bleiben und Abschied nehmen, im Dr. Mildred Scheel Haus bis zu vierundzwanzig Stunden.
Mir sagte einmal ein befreundeter Arzt: »Wenn alle so sterben könnten wie auf Palliativstationen oder in
Hospizen und wenn überall so viel Rücksicht auf die Angehörigen genommen würde, dann wären wir in unserer Gesellschaft einen großen Schritt weiter.«
Worin besteht nun der Unterschied zwischen einer Palliativstation und einem Hospiz?
Eine Palliativstation ist immer in eine Klinik eingebunden und wie eine Krankenhausstation organisiert. Das heißt, rund um die Uhr stehen den Patienten sowohl Ärzte als auch Schwestern oder Pfleger zur Verfügung. Wie das Dr. Mildred Scheel Haus sind alle Palliativstationen eigenständige Einheiten und somit abgegrenzt vom täglichen Akutklinikbetrieb. Im Notfall aber können die Ärzte sofort auf alle Einrichtungen der Klinik zurückgreifen. Die beiden wichtigsten Kriterien für die Aufnahme auf eine Palliativstation sind: eine unheilbare, lebensbegrenzende Erkrankung und die so genannte »Krankenhausbedürftigkeit«. Damit ist gemeint, dass die optimale Schmerztherapie für den Patienten erst noch gefunden werden muss, ebenso die Vorgehensweise, wie alle auftretenden Symptombeschwerden (z. B. starke Geruchsbildung oder nach außen aufbrechende Tumore) am verträglichsten für den Schwerstkranken gelindert werden können. Verstirbt ein Patient nicht auf der Palliativstation, so kann er, nachdem alle ärztlichen Maßnahmen abgeschlossen sind und er bestmöglich medikamentös »eingestellt« ist, entweder nach Hause entlassen werden
oder er entscheidet sich für ein Hospiz. Dies ist ein von einer Klinik unabhängiges Sterbehaus, das in der Regel wie ein kleines Pflegeheim geführt wird. So stehen im Vordergrund der Betreuung der Schwerstkranken die qualifizierte Pflege und die menschliche Zuwendung. Die ärztliche Versorgung erfolgt meist durch einen Hausarzt, der jedoch nur bei Bedarf das Hospiz aufsucht. Möglich ist ebenso eine ambulante palliativmedizinische Betreuung durch Ärzte einer Palliativstation. Diese können übrigens auch seit einigen Jahren private Hausbesuche machen. Das heißt, ein Patient, der auf einer Palliativstation behandelt wurde, wird nach der Entlassung zu Hause von einem Mediziner »seiner Station« weiterbetreut und kann so in vertrauter Umgebung sterben.
Die Aufnahme in ein Hospiz ist nicht abhängig von einer vorangegangen Behandlung auf einer Palliativstation. Voraussetzungen aber sind: eine weit fortgeschrittene Erkrankung, die zum baldigen Tod führt, und Ausschluss der
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