Interwelt
würde ich sagen, daß es dort nicht viel anders ist als bei uns.«
»Das ist kein sehr beruhigender Gedanke. Also, was ist ein Kontinuum? Etwas in der Zukunft?«
»In der Zukunft? Was für eine Zukunft? Ein Kontinuum bewegt sich seitwärts.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Alles geschieht jetzt, mein lieber Dunjer. Nur scheinen die Jetzts unterschiedlich zu sein. Noch einen guten Rat: Passen Sie auf den Knopf dort auf.« Er deutete auf meinen Aktivator. »Er vergrößert den Strahl und kann alles in eine andere Welt versetzen, und das wäre doch sehr unpassend. Ah ja, mit dem winzigen Schirm und den Anweisungen darunter können Sie Ihren Weg zurück nach Glücksstadt berechnen. Drücken Sie nur auf den kleineren Knopf dort, alles andere geht automatisch.«
»Meinen Sie den da? Ich drücke also nur so …«
ZWEITER TEIL
ANDERSWO
20.
ICH, KLOX, ALLSEHEND (FAST), ALLWISSEND (MANCHMAL), NAHEZU ALLMÄCHTIG (UNTER GEWISSEN, GENAU BESTIMMTEN UMSTÄNDEN), EILE MEINER BESTIMMUNG ENTGEGEN DAS IST NATÜRLICH VON GROSSER BEDEUTUNG FÜR MICH. BESTIMMUNGEN SIND NICHT ALLTÄGLICH.
Es war Zeit aufzustehen. Die ersten Sonnenstrahlen spitzten durch die Ritzen in den Jalousien und fielen auf die abblätternde Farbe der Wände in dem winzigen West Village Apartment.
Clayt Wadsworth setzte sich im Bett auf. Er war zwar erst Anfang zwanzig, aber seine körperliche und auch seelische Verfassung war dank seines ungesunden Lebens nicht gerade die beste. Er stöhnte und tastete blindlings mit zitternder Hand nach einem nur halbgerauchten Joint am Fuß seines Doppelbetts. Nach einer Weile begann er sich leidlich besser zu fühlen.
Außer dem Bett enthielt das Zimmer Teile einer Hi-Fi-Anlage, einen Küchenstuhl, einen Haufen Rock-Schallplatten, eine Topfpflanze, die Clayt nach seiner Tante Sadie nannte, und eine schwarzgrau getigerte Katze namens Orange.
Clayt erinnerte sich, daß heute ein besonderer Tag war: Superprotesttag. Die große Anti demonstration fing schon in wenigen Minuten an. Er machte Katzenwäsche, schlüpfte in seine ausgewaschenen Jeans, ein Arbeitshemd und nicht mehr ganz dichte Sportschuhe und nahm immer zwei Stufen auf einmal die Treppe hinunter, nachdem er sich flüchtig von Sadie und Orange verabschiedet hatte.
Der Zug setzte sich gerade in Bewegung, als er um die Ecke des Häuserblocks bog. Mark Rand, Debbie Newberg und Sid Lister waren in der ersten Reihe. Durch die Neugierigen bahnte er sich einen Weg zu ihnen, und Lister streckte ihm die Hand entgegen. »Irre, Mann«, begrüßte er ihn. Listers Gesicht war kalkweiß, wie immer, nur die Ringe um die Augen waren dunkel.
»Hi!« rief Debbie Newberg fröhlich. Sie trug knallrote Jeans, eine blaue, geblümte Bluse und ein sorgfältiges Augen-Make-up.
»Ich bin bedient«, murmelte Mark Rand, und der buschige Walroßschnurrbart in dem schmalen, knochigen Gesicht erzitterte.
Die gefürchteten Vier sind wieder beisammen, dachte Clayt Wadsworth, genau wie es sein soll an diesem großen Tag.
Der Zug wuchs, als sich ihm aus jeder Nebenstraße neue Reihen anschlossen, und der Hauptzug selbst hatte viele einzelne Teile, die aus der Bronx, Queens, Brooklyn und den hintersten Ecken von Manhattan kamen. Alle würden durch die Fifth Avenue ziehen, die einen von oben, die andern von unten, und alle würden sich vor dem UN-Gebäude sammeln.
»Seht euch das an!« sagte Debbie Newberg. Ihre drei Kameraden blickten in ihre Richtung. Genau wie der Zug sich vergrößert hatte, hatten auch die Zuschauer immens zugenommen. In der Fifth Avenue konnten die von Polizei besetzten Barrikaden sie kaum noch zurückhalten. Sie schrien und beschimpften die Marschierenden, und die wiederum schrien und beschimpften die Neugierigen.
Zuschauer und Marschierende bildeten bald dichtgedrängte Reihen, die nur die Polizei und Nationalgarde voneinander trennte, indem sie eine dichte Kette bildeten.
»Ich kann kaum mehr meine Füße heben«, murmelte Clayt Wadsworth plötzlich. Er fühlte sich wieder entsetzlich. In diesem Moment kamen sie an die Ecke 36. Straße und Fifth Avenue, und da sah er den kleinen Mann. Es war ein sehr seltsamer, kleiner Mann mit zwei wippenden Haarbüscheln hinter jedem Ohr auf einem ansonsten kahlen Kopf. Er hatte einen weißen Spitzbart, rosige Wangen und trug gelbe Sandalen zu einer weißen Toga. In einer Hand hielt er etwas, das wie ein Transistorradio aussah, mit der anderen winkte er verzweifelt in Wadsworths Richtung. Er versuchte vergeblich,
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