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Interwelt

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Titel: Interwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isidore Haiblum
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hieb seinen Knüppel auf den kahlen Schädel, daß Mann und Maschine auf dem Asphalt landeten.
    Seine neue Freundin faßte Wadsworth am Arm. »Wir dürfen nicht hierbleiben!« drängte sie. Und direkt vor ihnen erhob sich das UN-Gebäude. Mit vielen anderen, die auf den gleichen Gedanken gekommen waren, suchten sie Zuflucht in diesem Bau aus Glas und Metall.
     
21.
     
    Die Scheinwerfer versuchten den Nebel zu durchdringen, der allmählich alles einzuhüllen begann. Der normalerweise laute Verkehr klang gedämpft, wie aus weiter Ferne. Überhaupt schien alles weit, weit weg zu sein. Meine Finger klammerten sich um das Lenkrad. Die Heizung war voll eingeschaltet, aber ich fror unter meinem Mantel, war fast starr vor Kälte. Schlimmer konnte es am Nordpol auch nicht sein. Meine Lippen bewegten sich, doch nicht ein Laut drang heraus. Das Gesicht im Spiegel hatte alle Farbe verloren, die Augen waren stumpf, die Brauen naß, die Hände klamm.
    Ich hatte ein kleines Problem. Ich wußte, mehr oder minder, wohin ich fuhr, und ich wußte – obwohl ich den Grund dafür nicht so ganz verstand –, daß ich unbemerkt angelangen mußte.
    Damit war mein Wissen erschöpft. Der Rest war ein riesiges Fragezeichen.
    Wer war ich? Wo war ich? Ich hatte keine Ahnung.
    Was war mit mir geschehen? Auch das wußte ich nicht.
    Vielleicht war ich krank gewesen? Hatte einen Unfall gehabt? Aber vielleicht würde ich mich mit der Zeit an alles erinnern. Inzwischen aber war ich nicht mehr als eine Marionette, die – was tat? Ich hatte keine Ahnung. Ich konnte möglicherweise irgend etwas selbst, aus freiem Willen, unternehmen. Doch was? Es erschien mir das beste, zunächst weiter die Marionette zu spielen, bis ich herausfand, worum es ging.
    Ich tastete nach der Whiskyflasche, die irgendwo im Vordersitz des Wagens sein mußte. Ich wußte, daß sie da war, aber nicht, wieso ich es wußte. Meine Hand schloß sich um die Flasche, öffnete sie und hob sie an die Lippen. Ich nahm drei tiefe Schlucke, und das Zeug brannte in meiner Kehle. Ich keuchte nach Luft und goß schnell weiteren Whisky hinterher.
    Die Straße, zu der ich wollte, kam in Sicht. Meine Scheinwerfer zogen zwei breite Streifen über Ziegel und Beton. Eine Reihe dunkler Fenster flog vorbei, und schon war ich um die Ecke.
    Es war zehn nach eins.
    Einen Häuserblock entfernt fand ich in einer Seitenstraße einen Parkplatz. Ich blieb im Dunkeln sitzen. Es war unheimlich still. Ich hatte ein Fenster fünf Zentimeter heruntergerollt und roch den nahen Fluß. Weit entfernt verrieten immer wieder aufleuchtende Scheinwerfer, daß der Verkehr nicht versiegt war.
    Ich stieg aus, zog meinen Mantelkragen hoch und kehrte den einen Häuserblock zurück. Ich brauchte nicht lange, um die richtige Gasse zu finden, in der sich der Hintereingang des Gebäudes befand. An einer Reihe von Mülltonnen vorbei ging ich zum Kellereingang, dann folgte ich einem Gang tiefer ins Innere. Das Rumpeln eines Fahrstuhls war zu hören, aber ich konnte es nicht wagen, den Lift zu nehmen, sowohl in den Personen- als auch Lastenaufzügen befanden sich Fahrstuhlführer. Mir blieb demnach nur die Treppe.
    Ich fand sie am hinteren Ende des Heizungskellers und machte mich daran, sie hochzusteigen – es waren ja schließlich nur neunzehn Stockwerke.
    Als ich den letzten Aufgang erreichte, war ich durchgeweicht. Hemd und Hose klebten an mir. Ich verschnaufte mich kurz auf der vorletzten Stufe, dann trat ich auf den hellbeleuchteten Korridor. Nachdem ich an einigen geschlossenen Türen vorbeigekommen war, gelangte ich zum Hintereingang. Ich lauschte, und als ich nichts hörte, schloß ich mit einem Dietrich auf. Durch die Küche ging ich zum Wohnzimmer, zum Speisezimmer und schließlich zu einem Schlafzimmer. Überall brannte das Licht, alles war luxuriös eingerichtet und menschenleer. Kopfschüttelnd kehrte ich zum Wohnzimmer zurück, wo die Terrassentür weit offenstand.
    Ich ging auf die dunkle Terrasse hinaus. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich zwei Liegestühle und etwas Massiges in einer Lache neben einem der Stühle. Es war ein Mann mit Brille, die ihm über die Nase gerutscht war. Ein roter Fleck hob sich von der Hemdbrust ab, und eine blutige Spur verlor sich in der Lache, die zum Teil aus Wasser, zum anderen aus Blut bestand.
    Reglos betrachtete ich Joe Rankins Leiche. Ein Arm war ausgestreckt und deutete unter den Liegestuhl, wo es trocken war. Drei Worte waren dort gekritzelt:
    DIE

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