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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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nie gewählt hast, was ist dann jetzt deine Wahl? Wenn du mich vorher gewählt hast, dann hast du jetzt die Freiheit, mich erneut zu wählen. Willst du mich jetzt?« Häufiger allerdings sagt jemand zu seinem Partner: »Du hast einmal gewählt, und jetzt bist du fest mit mir verbunden. Es gibt kein Zurück, ob du willst oder nicht.«
    Helen traf ihre Wahl: Mitleids-Sex war für sie nicht mehr akzeptabel. Tom musste mehr tun, als sich nur dafür zu entscheiden, sie zu heiraten. Sie wollte jemanden heiraten, der sie wirklich wollte.
    Helen ließ nun an sich heran, was sie ohnehin schon wusste: Tom hatte sie nie gewählt. Er wollte sie nur nicht aufgeben. Seine Unfähigkeit zu wählen war schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Beziehung dagewesen; sie hatte sich nur nicht damit auseinandersetzen wollen. Hätte sich Helen diesem Problem aus der Perspektives ihres gespiegelten Selbstempfindens genähert, wäre ihr Gefühl der Demütigung noch stärker gewesen. Doch sie konfrontierte sich aus der Perspektive des Besten in ihr, und dies hatte eine völlig andere Wirkung: Sie fühlte sich nicht gedemütigt. Sie verspürte ein Gefühl der Freiheit, das sie nie erwartet hätte.
    Helen durchlebte auch danach einige Tage lang viele emotionale Höhen und Tiefen, wurde mit diesen Herausforderungen aber immer besser fertig. Sie sagte zu Tom: »Ich glaube, ich habe die Lösung zu ›Ich will gewollt werden, aber ich brauche es, gebraucht zu werden‹ gefunden. Du musst dich selbst wollen. Du musst an dir selbst festhalten. Das kann niemand anderer für dich tun.« Als Tom dies hörte, verfiel er in Verzweiflung.
    Wenn ein Partner sich selbst unter Kontrolle hat, fühlt sich der andere kontrolliert
    Entscheidungsdilemmata existieren, weil die Wahlmöglichkeiten in einer Liebesbeziehung begrenzt sind. Basiert eine solche Beziehungen auf emotionaler Verschmelzung, wird die Zahl Ihrer Wahlmöglichkeiten geringer , sobald Ihr Partner ein stabileres und flexibleres Selbst entwickelt.
    Wie viele Partner mit schwächerem Verlangen fühlte sich auch Tom unter Druck gesetzt. Doch alles war im Wandel begriffen. Helen hielt an den Vier Aspekten fest. Sie sah jetzt, dass sie sich selbst verriet, wenn sie nicht erwartete, gewollt und gewählt zu werden. Schließlich hörte sie auf, Tom anzutreiben, weil sie auf diese Weise ohnehin nie bekam, was sie wollte . Er würde auf diese Weise ohnehin nicht einwilligen, weil er es wirklich wollte – falls er es überhaupt täte.
    Helen war nicht mehr bereit, weiter um Sex zu betteln, sowie darum, gewollt zu werden. Sie wollte Tom nicht mehr drängen, etwas zu tun, wozu er offensichtlich nicht bereit war. Nötigenfalls würde sie die Beziehung zu ihm beenden, aber sie würde sich nicht selbst aufgeben. Damit endete jede sexuelle Aktivität zwischen ihr und ihm.
    Freiheit in der Ehe kann schwierig sein
    Autonomie ist ein ungeheuer wichtiger Bestandteil des sexuellen Verlangens, und ihre Wirkung ist sehr komplex. Wahl ist ein Akt der Autonomie. Wenn wir das Gefühl haben, wir hätten keine Wahl, verblasst oft unser Verlangen. Doch wenn wir nicht wählen, um nicht die Verantwortung für die Gestaltung unseres Lebens übernehmen zu müssen, leidet auch das Verlangen darunter. Tom erklärte, er fühle sich unter Druck gesetzt, eine Entscheidung zu treffen, weil Helen sich danach möglicherweise von ihm trennen werde.
    Ich sagte: »Sie wollen zwar gewollt werden, aber Sie wollen selbst nicht wollen.«
    Â»Ich habe das Gefühl, Sie fordern mich zum Sex mit Helen auf, obwohl ich auf der bewussten Ebene weiß, dass Sie das nicht tun.«
    Â»Wenn ich Sie zum Sex mit Helen auffordern würde, würde sie nicht bekommen, was sie will. Natürlich könnten Sie Sex mit ihr haben, ohne sie zu wollen. Helen will aber, dass Sie sie wollen.«
    Tom blickte grimmig drein. »Normalerweise würde ich in einer Situation wie dieser brüllen: ›Ich fühle mich unter Druck gesetzt!‹ Dieses Gefühl habe ich jetzt zwar auch, aber ich will die Beziehung nicht aufs Spiel setzen. Wenn ich meineSituation nicht in den Griff bekomme, wird Helen mich verlassen.« Dies war die erste Situation, in der Tom etwas wollte, wovon er glaubte, dass er dazu niemals in der Lage wäre. Er klang verzweifelt. Ich nickte. Tom gab zu erkennen, dass ich seine schwierige Lage durchschaut

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