Intimitaet und Verlangen
Barbie noch Ken fühlte sich verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, insbesondere wenn sie dies in Schwierigkeiten hätte bringen können. Beide vertrauten einander nicht und waren auch nicht vertrauenswürdig.
Unfreundliche Handlungen dem Partner gegenüber gehörten bei Ken und Barbie zum Alltag. Wenn sie einander nicht anbrüllten, ging das Gezänk in Zimmerlautstärke weiter, und emotionale Folter war für sie Normalität. Ken setzte Barbie zu, indem er ihr vorwarf, sie sei frigide. Manchmal fragte er sie auch, ob sie eine Lesbe sei. Und Barbie warf Ken vor, er sei sexsüchtig. Sie wetteiferten darum, wer das Opfer sei, wer stärker übertölpelt worden sei, als er sich auf diese Ehe eingelassen habe, und wer heldenhafter sei, indem er die Mängel des anderen toleriere.
Normaler ehelicher Sadismus
Wie ich bereits sagte: Wenn es darum geht, in einer Ehe Schmerz zu erzeugen, ist die beliebteste (und effektivste) Methode, den Partner bezüglich seines sexuellen Verlangens zu foltern. Sexuelle Beziehungen sind nun einmal die Arena für normalen ehelichen Sadismus.
Normaler ehelicher Sadismus beinhaltet, dass man Lust empfindet, wenn man dem Partner physischen Schmerz zufügt oder ihn misshandelt, ohne dass dabei die Grenze zu häuslicher Gewalt überschritten wird. Normaler ehelicher Sadismus kommt viel häufiger vor als körperliche Misshandlungen. Wir foltern die Menschen, die wir lieben, und tun dabei so, als sei uns dies gar nicht klar. Viele von uns tun dies oft und bleiben dabei ungestraft.
Wir alle haben eine »böse« Seite â »böse«, wie es der Ausdruck »kein besonders netter Mensch« beschreibt. In uns allen gibt es einen primitiven, engstirnigen, rachsüchtigen und strafenden Anteil â eben einen »bösen«. Je stärker Sie und Ihr Partner in emotionaler Verschmelzung verstrickt sind â und das heiÃt, je stärker Sie von der Bestätigung Ihres Partners und von Angstregulation durch Entgegenkommen abhängig sind â, umso wahrscheinlicher praktizieren Sie (und Ihr Partner) normalen ehelichen Sadismus.
Auch Sie sind ein normaler ehelicher Sadist, wenn Sie häufig (1) Gleiches mit Gleichem vergelten, (b) einen Groll hegen, (c) Ihre Wut nicht kontrollieren können oder (d) berechtigt zu sein glauben, Vergeltung zu üben, weil Sie sich in Ihren Gefühlen verletzt fühlen. Selbst zur Konfliktvermeidung neigende Paare, die sich scheinbar in jeder Hinsicht einig sind, führen versteckt abends im Bett Krieg.
Man könnte annehmen, Barbie habe ein schwächeres Verlangen gehabt, weil sie wütend auf Ken war, und dass sie wütend auf ihn war, stand völlig auÃer Frage. Doch sexuelle Verweigerung lässt sich nicht generell auf ein schwaches Verlangen zurückführen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Methode, im Partner Gefühle hervorzurufen. Barbie verweigerte sich sexuell, wenn sie wütend war. Sie wollte Ken dann nicht als »Quelle der Lust« dienen, sondern für ihn zu einer Quelle des Unglücklichseins werden â eine Haltung, die für normalen ehelichen Sadismus charakteristisch ist. Barbie war oft wütend, und sie wollte auch Ken wütend machen oder ihn frustrieren.
Sexuelle Verweigerung ist auÃerdem eine Methode, den Partner in eine bestimmte Position zu drängen. Manchmal verweigerte sich Barbie sexuell, um Ken gefügig zu machen. In anderen Situationen tat sie es, um ihn »wegzujagen«. In wieder anderen Fällen wollte sie auf diese Weise sein gespiegeltes Selbstempfinden angreifen. Oder sie täuschte einen Orgasmus vor und empfand dann Verachtung gegenüber Ken, der auf seine sexuelle Leistung stolz war.
Normaler ehelicher Sadismus besteht schlicht darin, das angenehme Gefühl, das Sex hervorrufen kann, vorzuenthalten und gleichzeitig so zu tun, als wolle man dem Partner zu Gefallen sein. Selbst wenn es zum Sex mit Ken kam, dachte Barbie dabei manchmal absichtlich an völlig andere Dinge. Sie und Ken verhielten sich allerdings gleichermaÃen sadistisch zueinander. Ken peinigte Barbies gespiegeltes Selbstempfinden, indem er jüngere Frauen anstarrte und Barbies Freundinnen sexuelle Schwingungen zusandte. Im Laufe der Jahre warf Barbie Ken vor, er habe zahlreiche Affären gehabt. Ken leugnete dies immer und bezichtigte sie, labil zu sein.
Wie verbreitet ist normaler ehelicher Sadismus?
Das Glossar der
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