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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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entwickeln.
    Starrsinn, Rachsucht, Neigung zum Tadeln und zur Konkurrenz treiben zahllose Paare in die sexuelle Enthaltsamkeit. Die traurige Wahrheit ist: Wenn Sie ein gespiegeltes Selbstempfinden haben und Ihre Funktionsfähigkeit von Ihrem Partner ausgeborgt ist, haben Sie ein gutes Gefühl dabei, wenn Sie Ihren Partner hintergehen.
    Die Beziehung zwischen Barbie und Ken war durch emotionale Misshandlungen gekennzeichnet. Dies ist die am weitesten verbreitete Form häuslicher Gewalt. Es ist die psychologische Variante des Verprügelns mit einem Gummischlauch: Da diese Behandlung keine sichtbaren Spuren hinterlässt, gibt es keinen Beweis für einen Übergriff oder eine bösartige Absicht und auch nicht dafür, dass der Empfänger der Behandlung Schmerzen erlitten hat.
    Ken und Barbie nahmen einander psychisch »in die Mangel«. Sie heuchelten Unwissenheit oder Unschuld, wenn sie aufeinander losgingen. Man hätte meinen können, sie wären völlig unsensibel, könnten nicht kommunizieren und hätten nicht die geringste Ahnung, was sie taten. Doch ihre Zielgenauigkeit und ihr strategisches Timing bei der Manipulation und Täuschung hätten sie kaumentwickeln können, wenn sie nicht in der Lage gewesen wären, die Vorgänge im Geiste ihres Partners zu lesen und mitzuteilen. Den Partner auszusperren und ihn im Dunkeln zu halten sind Kunstformen. Das Gleiche gilt für das geistige Spiegeln, das dazu dient, mit dem Geist des Partners spielen zu können, so wie es geschieht, wenn jemand sich weigert, eine Affäre einzugestehen, obwohl sich der Partner längst darüber im Klaren ist, oder sein Geringschätzung leugnet, obwohl er weiß, dass er sie empfindet.
    Wie viele Paare folterten auch Barbie und Ken einander durch Sex. Das konnte während der Anbahnung einer sexuellen Begegnung oder während des Vorspiels geschehen, aber auch später. Manchmal passierte es auch erst nach dem Sex. Barbie ignorierte Kens Bemühungen, sie zum Sex zu bewegen, als hätte sie sie völlig übersehen. Wenn Ken dann zum dritten oder vierten Mal versuchte, sie zu animieren, stand er schon ziemlich unter Druck. Beim Vorspiel erschwerte Barbie es Ken, ihre Genitalien zu erreichen, indem sie ihre Oberschenkel fest gegeneinander drückte. Es gefiel ihr, »ihn dafür arbeiten zu lassen«. Sie verhielt sich passiv, gab ihm selbst so wenig wie möglich und tat auch selbst möglichst wenig.
    Ken hatte seine eigenen speziellen Methoden entwickelt, es Barbie heimzuzahlen. Beispielsweise legte er in der Öffentlichkeit seine Hand auf ihren Hintern, obwohl er genau wusste, dass sie das überhaupt nicht leiden konnte. Ken verteidigte sich dann mit der Bemerkung, er könne einfach nicht von ihr lassen, weil sie eine so schöne Frau sei. Wenn sie Sex hatten, drückte er ihre Brüste fester, als es ihr angenehm war, oder er steckte ihr vorzeitig einen Finger in die Vagina, um zu prüfen, ob sie das zuließ.
    Bezogenheit und Beziehung
    Ich beschreibe hier nicht das Nichtvorhandensein einer Beziehung. Emotionale Folter resultiert nicht aus einem Mangel an Bezogenheit. Vielmehr ist sie in vielen Fällen die Beziehung. Dies ist die Art von Verbundenheit, die viele Menschen am besten kennen.
    Peinigen wir einander aufgrund von Dingen, die in unserer Kindheit geschehen sind? Klar. Foltern wir einander, weil wir keine Liebe bekommen haben? Halt, nicht so schnell. Tatsächlich ist es genau umgekehrt: Menschen werden häufig durch die Liebe, die sie bekommen haben , dazu getrieben, schreckliche Dinge zu tun. Die Liebe, die Sie bekommen , kann wesentlich schädlicher wirken als die Liebe, die Sie nicht bekommen haben. Wenn Folter die einzige Art von Bezogenheit ist, die unsere Eltern oder unsere Geliebten uns zu geben bereit sind, nehmen wir diese einzig verfügbare Art von Zuwendung oft an. Einige von uns sind nicht in der Lage, sich eine andere Art von Bezogenheit als diese zu verschaffen.
    Wir reden uns gern ein, Menschen täten einander schreckliche Dinge an, weil sie nicht miteinander in Kontakt seien. Wir nehmen an, Folter und tyrannisches Verhalten seien möglich, weil die Täter zu den Opfern nicht in Beziehung träten oder weil es ihnen an Kontakt zur Realität mangele. Tatsächlich tun Menschen einander schreckliche Dinge an, weil zwischen ihnen eine Verbindung besteht. Im Zustand emotionaler Verschmelzung können sie verheerenden

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