Intimitaet und Verlangen
ihre Aufmachung war etwas übertrieben.
Ken sah mit seinem kantigen Kinn wie ein geschniegelter »harter Bursche« aus. Frauen fielen reihenweise in Ohnmacht, weil sie seinem Charme und seinem guten Aussehen erlagen. Doch Ken hatte nicht einen Funken Respekt ihnen gegenüber. In dieser Hinsicht glich er seiner Frau Barbie. Diese hatte keinen Respekt vor Männern, die, wie sie meinte, »alle Schwanz-gesteuert« waren; doch andererseits konnte sie auf die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts kaum verzichten.
Barbie und Ken waren das prototypische »wunderschöne Paar«. In Restaurants drehten sich die anderen Gäste nach ihnen um und bewunderten sie. Sie hatten Geld, trugen teure Kleider, fuhren schöne Autos und gehörten dem richtigen Country-Club an. Sie nahmen Tanzstunden und genossen es, sich in besonders »heiÃen« Tanzbewegungen zu ergehen, so dass andere Paare ihnen applaudierten. Ken und Barbie genossen diese Art von Applaus, weil sie in ihrem Schlafzimmer keinen hörten. 2
Ken war aus Barbies Sicht ein guter Fang gewesen. Ihre Mutter hatte sie auf ihn als einen geeigneten Ehekandidaten aufmerksam gemacht, und daraufhin hatte Barbie ihn sich geangelt. Männer für sich zu gewinnen, war für sie leicht. Ihr war klar, dass diese glaubten, sie würden Barbie »abschleppen«, obwohl sie ihre »Eroberer« in Wahrheit ausnutzte. Ken hatte geleuchtet wie ein Christbaum, als sie ihm ein wenig von ihrer sexuellen Energie zugesandt hatte. Er hatte sich ihr gegenüber als sehr stark dargestellt, und sie hatte sich die vermeintliche Eroberung gerne gefallen lassen.
Barbie genoss es, verehrt zu werden, sowohl im Bett als auch anderswo. Anfangs hatte Ken sie geradezu »andächtig« geliebt. Wie die meisten Männer war er von ihrer Schönheit hingerissen, und sie brauchte sich nur zurückzulehnen und anzunehmen, was sie bekam. Gewöhnlich erreichte sie den Höhepunkt durch orale Stimulation. Im Anschluss daran drang Ken in sie ein und kam dann selbst zum Orgasmus.
Ken genoss den Sex mit Barbie. Er sog den Anblick ihres schlanken Körpers und wie dieser sich anfühlte begierig ein. Er legte sie gern auf den Rücken und schaute sie in dieser Position an, während er in ihr war. Auch sich selbst beobachtete er beim Zusammensein mit dieser wunderschönen Frau, und er hatte dabei ein Gefühl wie: Oh Mann, ich bin im Himmel. Nun schau dir an, wen ich da aufgegabelt habe!
Als sie sich kennenlernten, hatten Barbie und Ken zwei- bis dreimal pro Woche Sex gehabt. Nach der Hochzeit sank die Zahl der sexuellen Begegnungen rasch auf eine pro Monat. Barbie lieà sich gern verführen. Sie »gewährte« Sex wie eine Belohnung. Doch sobald sie das Gefühl bekam, Sex werde von ihr erwartet, war es damit vorbei. Weder Ken noch Barbie hatte ein stabiles Selbstempfinden oder die Fähigkeit zur Intimität. Sich so, wie sie tatsächlich waren, von jemand anderem sehen zu lassen, war nicht ihre Sache. Im Laufe von fünf Jahren sank die Zahl der sexuellen Kontakte auf ein bis zwei pro Jahr. Ihre zwölfjährige Ehe hatte sich in einen Abnutzungskrieg verwandelt.
Als sie zu mir kamen, drohte Barbie, die Ehe aufzugeben. Ihr Verlangen war das schwächere, Ken drängte sie zum Sex, und sie hatte einfach genug von der ganzen Situation. Sie fühlte sich von Ken benutzt. Sie sagte, er wolle von ihr nur Sex. Sie sagte nicht, sie hätte das Gefühl, körperliche Schönheit und Sex seien alles, was sie bieten zu können glaubte.
Ken erklärte, Barbie habe »ihn angelogen«, weil sie sich zu Beginn ihrer Beziehung immer so sexy verhalten habe. In Wahrheit hatte Ken das Gefühl, er habe Barbie gekauft. Sie hatte kurz nach ihrer Heirat ihren Beruf aufgegeben. Da er sie ernährte, fühlte er sich berechtigt, von ihr die »ehelichen Pflichten« einzufordern. Sie hatten implizit einen Handel abgeschlossen: Sein Geld, sein Ansehen und seine finanzielle Sicherheit gegen ihr gutes Aussehen und jede Menge Sex. Aufdieser Grundlage hatten sie sich gefunden. Nun war dieser Handel Barbie zuwider, und Ken geriet auÃer sich vor Wut, weil er nicht genug Sex bekam.
Barbie und Ken hatten beide Bekannte, aber keine engen Freunde. Barbie hatte Freundinnen, mit denen sie klatschte und Ratschläge austauschte, doch in diesem Kreis wurde nie »Klartext« geredet, und es fanden auch keine wirklichen Konfrontationen statt. Weder
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