Intimitaet und Verlangen
American Psychiatric Association (APA) definiert Sadismus als »Freude daran, anderen Menschen körperlichen oder psychischen Schmerz zuzufügen oder sie zu misshandeln. Die sexuelle Bedeutung sadistischer Wünsche oder Verhaltensweisen kann bewusst oder unbewusst sein. In Fällen, in denen sadistische Handlungen für einen Menschen notwendig sind, damit er die sexuelle Befriedigung erreicht, kann Sadismus als sexuelle Abweichung gelten.« Bei der APA gab es auch einmal den Plan, eine diagnostische Kategorie »Sadistische Persönlichkeitsstörung« zu definieren, den man jedoch später wieder fallen lieÃ. Die dafür vorgesehenen Kriterien lauteten: (a) Demütigen und Herabsetzen anderer, (b) Lügen, um weh zu tun, (c) Einschränken der Autonomie des Partners in einer engen Beziehung und (d) Erzwingen von Einverständnis durch Einschüchterung. In Sinne dieser diagnostischen Kategorie sah man ehelichen Sadismus offenbar als normal an, denn die Diagnose sollte grundsätzlich nicht gelten, wenn das sadistische Verhalten auf eine einzige Person, beispielsweise den Partner, gerichtet war. 3
Lassen sich normal gesunde Menschen wirklich zu normalem ehelichem Sadismus hinreiÃen? Meinen eigenen Untersuchungen und meinen klinischen Beobachtungen zufolge ist die Antwort ein überzeugtes ja. Von 20 Paaren, die an einem Passionate-Marriage ® -Paar-Retreat teilnahmen, berichteten alle , dass sie Dinge täten, um ihren Partner absichtlich zu verletzen. Und die Hälfte der Teilnehmer berichtete auÃerdem, sie genössen dies sehr. Eine Frau empfand normalen ehelichen Sadismus als »antörnend«. Ein Viertel der Befragten hatte die sadistischen Handlungen durch geistige Folter ergänzt, indem sie ihre sadistischen Motive auf Nachfrage des Partners hin geleugnet hatten. Drei Viertel der Teilnehmer berichteten, sie hätten bestimmte Handlungen absichtlich verschoben, um ihren Partner auf die Palme zu bringen.
Demnach könnte es sich bei denjenigen, die an unserem Retreat teilnehmen, um eine besonders merkwürdige Gruppe schwer Geschädigter handeln. Doch eine andere Stichprobe, die ich zusammenstellte, veranschaulichte, dass es sich um völlig normale Menschen handelte. Von einer Gruppe von 100 Therapeuten bekannten 88 Prozent sich zu normalem alltäglichem Sadismus. AuÃerdem schätzten 87 Prozent der Befragten, dass es sich mit ihren Klienten genauso verhalte. Und nun etwas wirklich sehr Wichtiges: Therapeuten, die nicht der Meinung waren, dass sie normalen alltäglichen Sadismus praktizierten, sahen diesen auch bei ihren Klienten nicht.
So gut wie jeder Mensch praktiziert normalen alltäglichen Sadismus. Viele Paare â und zwölf Prozent der Therapeuten, die normalen alltäglichen Sadismus bei sich selbst nicht erkennen â müssen aufwachen: In der Ehe können Sie am besten erkennen, dass Sie mit einem unbarmherzigen sadistischen Terroristen zusammenleben. Und auÃerdem ist da noch Ihr Partner, mit dem Sie zurechtkommen müssen!
Folter: Eine verbreitete Form von Bezogenheit
Je stärker die emotionale Verschmelzung ist, in der die Partner leben, umso stärker regen sie einander auf, plagen sie einander und bringen sie einander aus der Fassung. Wenn Menschen das positive gespiegelte Selbstempfinden, das sie brauchen, nicht bekommen, fühlen sie sich berechtigt (wenn nicht sogar verpflichtet), dies ihren Partner wissen zu lassen. Je schwächer die Vier Aspekte der Balance bei einem Menschen sind, umso wahrscheinlich praktiziert er normalen alltäglichen Sadismus.
Längerfristige Beziehungen bringen viel Frustration mit sich. Menschen, die mit Frustration und Enttäuschung nicht gut umgehen können oder die alles persönlich nehmen, erzeugen im Namen des Selbstschutzes Chaos und Verwüstung. Das Bemühen des einen Partners um Selbstschutz bringt für den anderen ein Maximum an Elend und Qual mit sich.
Liebe und Folter sind häufig unselige Bettgenossen. Wenn Menschen Entscheidungsdilemmata zu ignorieren versuchen, werden sie oft besonders sadistisch. Zu lügen ist ein bewährtes Verfahren, wenn Sie verbergen wollen, auf welchen Pfaden Sie sich bewegen. Den Partner »hinters Licht zu führen« ist eine »freiwillige Zusatzleistung«. Aber einigen von uns macht es ganz einfach SpaÃ, zu lügen, sich ausweichend zu äuÃern und halsbrecherische Argumente zu
Weitere Kostenlose Bücher