Intimitaet und Verlangen
ÃuÃeres« wichtiger als körperliche oder emotionale Zuneigung. Ken hatte miterlebt, wie sein Vater und seine Mutter extrem negativ und destruktiv miteinander umgegangen waren. Beide waren sehr erfolgreich, aber auch Alkoholiker. Sein Vater war stellvertretender Direktor einer lokalen Bank, und seine Mutter pflegte den Kontakt zu den »besseren Kreisen« der Stadt. Ihre lächelnden Gesichter zierten zwar immer wieder Zeitungsberichte über gesellschaftliche Ereignisse, doch zu Hause stritten sie ständig miteinander. Wenn sie zu trinken anfingen, kam es bald zu Brüllduellen, Möbel gingen zu Bruch, und hin und wieder flogen sogar Fäuste.
Ken und seine Brüder versuchten nach Kräften zu verhindern, dass ihre Eltern völlig die Kontrolle verloren. Der Preis des Friedens waren Beschwichtigungen und Anpassung, die jedoch nie aus dem Wunsch heraus erfolgte, den Eltern gefällig zu sein. Ken war es verhasst, dass sich seine Eltern so unreif und unverantwortlich benahmen. Am stärksten jedoch litt er darunter, wie sie einander durch ihr ständiges Gezänk völlig fertigmachten. Trotz aller äuÃeren Erfolgssymbole und weil sie so viel Potential sinnlos vergeudeten, empfand Ken seine Eltern als ekelhaft.
In vielerlei Hinsicht glaubten Ken und Barbie an nichts und niemanden. Es mag hart klingen, aber man könnte ihre grundlegende Einstellung in dem Satz »Alle Menschen sind voller ScheiÃe« zusammenfassen. Doch statt die beiden als Bösewichter oder Opfer zu sehen, dachte ich über ihre Situation nach und darüber, weshalb sie bereit waren, so zu leben, wie sie lebten. Ich kam zu dem Ergebnis, dass sie die Art von Beziehung zueinander entwickelt hatten, die sie am besten kannten: diejenige, die sie zu ihren Eltern gehabt hatten. Ständiges Chaos und permanente Grausamkeit waren für sie Normalität.
Manchmal hassen wir unsere Eltern oder unsere Partner, weil wir sie lieben. Abgesehen von der Verletzlichkeit, die auf dem beruht, was sie uns antun können, macht uns unsere Liebe zu ihnen auch verletzlich, weil wir miterleben, was sie sich selbst antun. Was mit ihnen geschieht â und wie sie sich selbst zerstören â, wirkt auch auf uns. Mit ansehen zu müssen, wie die eigenen Eltern sich schaden, kann Menschen das Herz zerreiÃen. Und es kann leicht passieren, dass wir jemanden, den wir eigentlich lieben, zu hassen beginnen, wenn der Betreffende uns ständig herabsetzt, anlügt und auf andere Weise schlecht behandelt. Wir leugnen unseren Hass, weil er unser gespiegeltes Selbstempfinden angreift, unseren Narzissmus kränkt und uns das Gefühl vermittelt, nicht liebenswert zu sein.
Viele Menschen, die in langjährigen Partnerschaften leben, hassen einander. Diejenigen unter ihnen, deren Beziehung im Kern gut ist, lassen solche Gefühle nicht Oberhand gewinnen. Um dazu in der Lage zu sein, müssen wir unseren Hass auf den Partner und dessen Hass auf uns akzeptieren. AuÃerdem müssen wir wirklich liebevoll sein können, weil das für Beziehungen von zentraler Bedeutung ist. Der groÃe Unterschied zwischen guten und schlechten langfristigen Beziehungen besteht nicht darin, ob die Partner einander hassen oder nicht, sondern in der Art, wie sie mit ihrem Hass umgehen, und darin, ob sie einander auÃerdem lieben. Die Vier Aspekte der Balance sind ungeheuer wichtig für die Fähigkeit, extrem ambivalente Gefühle gegenüber Menschen, die Ihnen nahestehen, zu ertragen. Sie erleichtern es, die Spannungen zu mildern, die durch Ihre Liebe und Ihr Hass auf Ihren Partner entstehen, und zu akzeptieren, dass Ihr Partner Sie wahrscheinlich auch liebt und hasst.
Je mehr die Dinge bleiben, wie sie sind, umso stärker verändern sie sich
Die bedauerlichen Erlebnisse, die ich soeben beschrieben habe, waren nicht die einzigen Ursachen für Barbies und Kens Eheprobleme. AuÃerdem mussten sie sich mit den Problemen und Entwicklungsprozessen auseinandersetzen, mit denen wir alle konfrontiert werden. All dies wirkte sich auf ihre alltägliche Interaktion aus. Sie hatten ihre aktuelle Situation gemeinsam geschaffen.
Barbies und Kens Umgang mit der Sexualität hatte sich seit der Zeit, in der sie einander kennengelernt hatten, nicht nennenswert geändert, obgleich sie das Gefühl hatten, der Unterschied zwischen damals und heute sei so groà wie der zwischen Tag und Nacht. Da Neuheit und Verliebtheit
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