Intimitaet und Verlangen
auftreten, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Er hatte sich ihr gegenüber noch nie so kompromisslos geäuÃert. Und doch sprach er mit ihr nicht wie ein Kontrahent. Er trat zu ihr wie zu einer Partnerin in Beziehung, wie jemand, der mit ihr etwas durchlebte, das ihrer beider Schicksal verband. Gemeinsam erlebten sie einen tiefen Augenblick der Begegnung.
Sue wusste, dass sie normalerweise dazu neigte, jede ÃuÃerung Joes zu »toppen«. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich Joe entgegenschleudern: »Nun, das werden wir ja noch sehen! Ich gehe!« Sie malte sich in leuchtenden Farben aus, wie sie aus Joes neu entdecktem Ganzheitsgefühl die Luft herauslassen und welchen Spaà ihr das machen würde. Doch Joe hatte klargestellt, dass es für sie dann kein Zurück mehr gäbe. Weil sie Joe sehr gut kannte, wusste sie, dass er jetzt wirklich ernst meinte, was er gesagt hatte.
Abgesehen davon hatte die Interaktion auch Sues Bestreben gedämpft, die Situation eskalieren zu lassen. Es hatte sie beeindruckt zu beobachten, wie Joe sich selbst gemeistert hatte. Sue staunte darüber und war gleichzeitig schockiert.
Sie sagte: »Okay.«
»Okay was?«
»Okay, wir brauchen nicht darüber zu reden, ob du mich liebst.«
»Oh.«
Eine Minute lang trat Stille ein. Dann fing Sue leise an zu schluchzen. »Ich will dich nicht verlassen. Aber ich bin so verzweifelt. Ich weià nicht, was ich sonst machen soll.«
»Ich will ja auch nicht, dass du gehst. Aber ich will auch nicht, dass du mir jedes Mal, wenn du nicht weiÃt, was du sonst tun sollst, androhst, dass du gehen wirst. Wenn du ständig mit einem Fuà schon aus der Tür bist, will ich nicht mit dir zusammenleben. Ich werde nicht zulassen, dass wir wieder so leben, und ich lasse auch nicht zu, dass meine Kinder so leben.«
»Das kann ich verstehen.«
Dass Sue nicht bis zum letzten Atemzug kämpfte, überraschte Joe. Die Anspannung, die in der Luft gelegen hatte, verflog. Es war, als hätte sie endlich aufgehört, auf den Zehen zu stehen und die Fersen auf den Boden gesetzt. Sie war nun beim Sprechen wesentlich entspannter. »Ich werde über das, was du zu mir gesagt hast, nachdenken: dass es besser für uns wäre, wenn ich lernen würde, mich selbst zu lieben.« Sue lächelte Joe an, und daraufhin brach auch aus ihm ein Lachen hervor.
Sue fragte ihn: »Warum lachst du?« Dann lachte sie auch.
Joe antwortete: »Ich glaubâs einfach nicht, wie nervös ich bin! Aber ich bin unglaublich erleichtert, dass das hier nicht mit einem Desaster geendet hat.«
»Ich auch.« Sue nahm Joes Hand und lächelte ihn an. Sie weinte wieder.
»Ich fühle mich so lebendig!« Joe war völlig aus dem Häuschen.
»Ich auch.«
Einen Augenblick lang überlegte Joe, ob dies die richtige Situation für Sex sei. Sie war für sie beide ungeheuer positiv, und Joe nahm an, dass Sue nicht abgeneigt sein würde. Doch dann entschied er sich dagegen. Nichts war wichtiger, als Sue die klare Botschaft zu übermitteln: »Das ist nicht mehr die gleiche alte Leier.« AuÃerdem fühlte er sich schon besser als normalerweise.
Für die Auflösung sind die Vier Aspekte der Balance erforderlich
In den folgenden Wochen veränderte sich die Kommunikation zwischen Joe und Sue deutlich, und sie veränderten sich auch als Individuen sehr stark. Wenn sie in meiner Praxis saÃen, waren sie deutlich entspannter als vorher, und Sue wirkte stabiler und aufrichtiger, wenn sie sprach. »Ich sehe einen deutlichen Unterschied. Wir streiten uns zwar immer noch, aber nicht mehr so heftig wie vorher, und unsere Streitigkeiten werden nicht mehr so unerbittlich. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Am wichtigsten ist, dass ich nicht ein einziges Mal gedroht habe, dass ich gehe. Und Joe hat das auch nicht getan. Wir sind netter zueinander. Der neue Joe gefällt mir sehr.«
»Ich gefalle mir auch sehr gut«, bestätigte Joe.
Sue wirkte weicher, als ich sie vorher erlebt hatte. »Wir haben uns innerhalb von zwei Wochen viermal geliebt, ein Rekord für uns. Ich glaube, das hat uns selbst überrascht.«
Sue errötete. »Einmal haben wir es von hinten gemacht, und es hat mir gefallen. Ich brauche noch ein wenig Ãbung, aber ich glaube, ich könnte mich in dieser Position entspannen.«
Sue gestand mir gegenüber ihre Sexualität auf eine Weise ein,
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