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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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ausübte? Wenn sie tatsächlich so mächtig war, warum konnte sie Brett dann nicht daran hindern, sie zum Sex zu drängen? Connie verstand schließlich, was ich meinte, nachdem ihr zwei wichtige Dinge klar geworden waren.
    Erstens kontrolliert der verlangensschwache Partner den Sex, weil seine Reaktion darüber entscheidet, wann es dazu kommt. Diese Kontrolle wird im Laufe der Zeit stärker. Wie Sie dies erleben und damit umgehen, sagt viel darüber aus, ob Sie der Partner mit dem schwächeren oder mit dem stärkeren Verlangen sind. Aber ganz gleich, ob Sie es wissen oder erleben oder mögen oder nicht, es trifft in jedem Fall zu.
    Zweitens wurde Connie schließlich klar, dass ich ihr nicht die Schuld an den Problemen geben würde. Dies glaubte sie zunächst nicht, weil sie sich schuldig fühlte und weil sie sich für sexuell unzulänglich hielt. Connie sah sich tatsächlich mit Bretts Augen. Dies erschwerte es ihr zu glauben, dass nicht letztendlich ihr die Schuld zugeschoben würde.
    Es muss nicht unbedingt »etwas falsch laufen«
    Im Laufe unserer Sitzung nahmen die Feindseligkeiten zwischen Brett und Connie allmählich ab. Dennoch waren beide weiterhin davon überzeugt, dass mit ihnen etwas nicht in Ordnung sein könne. Connie sagte: »Vielleicht kann man ja wirklich keinem von uns eine Schuld geben; aber ich fürchte trotzdem, dass diese ganze Sache letztendlich an mir hängenbleibt. Es muss doch etwas falsch laufen, so wie es um unseren Sex bestellt ist.«
    Ich fragte sie: »Warum glauben Sie, dass etwas nicht in Ordnung ist?« Brett und Connie schauten mich an, als ob ich verrückt geworden wäre.
    Â»Was sagen Sie denn beispielsweise dazu, dass wir seit sechs Monaten keinen Sex mehr hatten? Das kann man doch nicht mehr als Ehe bezeichnen! Es ist einfach nicht in Ordnung, wenn Mann und Frau ohne Sex zusammenleben. Normal ist was anderes!« Bretts Stimme klang nicht mehr so beschuldigend und verurteilend wie vorher, wenn er etwas zu Connie gesagt hatte. Nun brachte er eher zum Ausdruck, dass er schockiert und verwirrt war.
    Connie fragte zögernd: »Werden wir unsere Beziehung wohl wieder hinbekommen?«
    Ich hielt einen Augenblick inne, um dem, was ich sagen wollte, Nachdruck zu verleihen: »Nein … weil sie gar nicht kaputt ist. Nach allem, was Sie mir bisher darüber mitgeteilt haben, ist eigentlich alles in Ordnung.«
    Â»Er sagt doch tatsächlich, alles sei in Ordnung! Meine Frau will keinen Sex mit mir, und alles ist in Ordnung!« Brett machte sich über mich lustig, doch seine Stimme klang eher ironisch als feindselig.
    Â»Genau so ist es. Zunächst einmal: Ob etwas nicht in Ordnung ist und ob die Dinge nicht so laufen, wie Sie es sich wünschen, sind zwei Paar Schuhe.«
    Â»Oh.« Über diese Möglichkeit hatte er offenbar noch nie nachgedacht.
    Â»Zweitens werden Sie Ihre Situation wahrscheinlich so verändern können, dass Sie eher damit einverstanden sind – weil eigentlich sowieso alles in Ordnung ist. Wenn etwas Merkwürdiges oder Ungewöhnliches im Gange wäre, ließe sich Ihre Beziehung möglicherweise nicht verändern. Aber sie scheint gut zu funktionieren: Sie verhält sich genau so, wie Beziehungen es tun, wenn die Partner so handeln wie Sie im Augenblick. Sobald Sie sich anders verhalten als jetzt, wird sich das auch auf Ihre Beziehung auswirken.«
    Connie sagte: »Meinen Sie vielleicht, mit unserem ›Auto‹ sei alles in bester Ordnung, das Problem sei nur, wie wir damit fahren?« Ich nickte.
    Mit ungläubigem Lächeln erklärte Brett: »Meine Frau will keinen Sex mit mir, weil sie mich für einen egoistischen und unsensiblen Trottel hält. Ich hingegen werfe ihr vor, sie sei ein kontrollbesessenes, manipulatives Miststück, und wir streiten uns deswegen ununterbrochen. Wir sind uns nicht einmal mehr sicher, ob wir weiter zusammenbleiben sollten. Eine Therapie haben wir schon abgebrochen. Und nun wollen Sie uns sagen, bei uns sei alles in bester Ordnung?«
    Â»Ja.«
    Â»Auf welchem Planeten haben Sie Ihre Ausbildung bekommen?«
    Ich lächelte ihn an. »Auf dem Planeten, den Sie zurzeit besuchen. Man kommt schwer über die Annahme hinweg, Probleme mit dem sexuellen Verlangen würden zeigen, dass etwas nicht in Ordnung ist. So wurden solche Probleme in der ganzen Menschheitsgeschichte gesehen – wahrscheinlich auch

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