Intimitaet und Verlangen
die Kontrolle über den Sex. Du musst doch etwas davon haben, dass du dich so verhältst, sonst würdest du es ja wohl nicht tun, oder?
Falsch. Dieses oberflächliche Psychogequatsche â »Es passiert doch nur, weil du es insgeheim willst oder weil du irgendeinen Gewinn daraus ziehst« â macht Sie nur verrückt. Bleiben wir bei den Fakten: Der verlangensschwächere Partner kontrolliert den Sex, ob er es will oder nicht! Dass viele verlangensschwache Partner irgendwann kontrollieren und bestrafen wollen , muss nicht der Grund für die Entstehung dieser ganzen Situation sein, sondern ist manchmal eher das Endresultat.
Brett fuhr mich an: »Wollen Sie mir etwa nahelegen, ich solle die Situation aus Connies Perspektive sehen?«
»Nein. Sehen Sie die Situation ruhig aus Ihrer Perspektive; aber machen Sie sich zunächst einmal klar, was Ihre Perspektive ist. Dinge aus der Perspektive des Partners zu sehen ist nicht der Stein der Weisen. Wenn Sie sich mit Connies Augen sehen würden, was würden Sie dann sehen?«
»Dass ich sexbesessen bin.«
»Und sind Sie das?«
»Nein.«
»Soviel zu der Fähigkeit, Dinge aus der Perspektive des Partners zu sehen.« Brett lachte und durchbrach damit die Spannung, die sich im Raum aufgebaut hatte.
»Es bringt auch nichts, Ihre Gefühle wie unantastbare Wahrheiten zu behandeln. Wenn Sie sich kontrolliert fühlen, bedeutet das noch lange nicht, dass Connie Sie tatsächlich kontrollieren will oder dies auch nur versucht.«
Wieder lachte Brett. Er war nun wieder Herr seiner selbst. »Wenn ich nicht der Lustmolch bin, für den Connie mich hält, ist sie vielleicht auch nicht das kontrollbesessene Miststück, das ich ständig in ihr sehe.«
Dies war ein wichtiger Wendepunkt in unserer Sitzung. Brett und Connie hatten sich ein wenig aus ihrer festgefahrenen Haltung gelöst und fingen an, ihr Dilemma in einem neuen Licht zu betrachten: Der verlangensschwächere Partner kontrolliert den Sex unabhängig davon, ob er es weià oder will.
Wie der Partner mit dem schwächeren Verlangen den Sex kontrolliert
Aber warum kontrolliert der Partner mit dem schwächeren Verlangen unvermeidlich den Sex? Wie kann es dazu kommen, wenn keiner von beiden dies will? Warum lässt es sich nicht einmal vermeiden, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben? Und wieso passiert es ständig und überall auf der Welt?
1.  Der verlangensstarke Partner initiiert in den meisten, wenn nicht gar in allen Fällen sexuelle Aktivitäten.
2.  Der verlangensschwache Partner entscheidet darüber, auf welche sexuellen Initiativen er eingeht.
3.  Auf diese Weise wird entschieden, wann es überhaupt zu Sex kommt. Und damit hat der verlangensschwache Partner faktisch die Kontrolle über den Sex, ob ihm dies nun recht ist oder nicht.
Der Vorgang ist erschreckend einfach und völlig offensichtlich, sobald man ihn einmal erkannt hat, doch solange dies nicht der Fall ist, wird er leicht völlig übersehen. Der Partner mit dem schwächeren sexuellen Verlangen hat auch die Kontrolle darüber, wo, wie und warum es zu sexuellen Aktivitäten kommt â und auch diese Kontrolle übt er unabhängig davon aus, ob ihm dies gefällt. Schlägt der verlangensstarke Partner vor, die Häufigkeit der sexuellen Aktivitäten, deren Zeitpunkt oder Eigenart zu verändern, besteht die einzige Reaktion des verlangensschwachen Partners gewöhnlich darin zu zögern. Daraufhin tritt auch der verlangensstarke Partner den Rückzug an, weil er fürchtet, sonst völlig leer auszugehen.
Diese Tatsache macht Paare verrückt. Wenn Connie defensiv oder ängstlich wurde â was oft vorkam â, versteifte sie sich auf die Haltung »Entweder so, wie ich es will, oder gar nicht!« Das wirkte auf das Sexualleben beider wie eine »psychische Zwangsjacke«. Connie verfügte über ein ungeheures Maà an Kontrolle und Einfluss, wobei sie gleichzeitig das Gefühl hatte, Brett versuche, sie zu kontrollieren.
Connie akzeptierte zunächst nicht, was ich sagte. Sie selbst hatte nämlich ganz und gar nicht das Gefühl, irgendetwas unter Kontrolle zu haben. Vielmehr fühlte sie sich unter Druck gesetzt und machtlos. Manchmal lieà sie sich auf Sex mit Brett ein, obwohl sie dies gar nicht wollte. Wie konnte sie also diejenige sein,die eine so starke Kontrolle
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