Intimitaet und Verlangen
tun muss, weil sie es tun will. Er fühlt sich in die Enge getrieben, und er muss sie tun lassen, was sie tun will ⦠weil sie ihn mit ihrer Therapie erpressen kann.«
»Was halten Sie denn selbst von diesem Gefühl? Meinen Sie, dass Nicole das tatsächlich vorhatte?«
»â¦Â Nein.«
»Und was halten Sie davon, dass diese Reaktion bei Ihnen eingetreten ist, als Nicole Ihnen anbot, Ihnen einen zu blasen?«
»â¦Â Dass ich wahnsinnig bin?« Das war Philipp ernst. Er verhielt sich kooperativ und orientierte sich an den Tatsachen. »Ich weià nicht, Doktor. Ich habe das noch nie so klar gesehen. Ich weià nicht, was ich davon halten soll. Wie sehen Sie die Sache denn?«
»Ich vermute, dass es in der Umgebung, aus der Sie stammen, nicht üblich war, Allianzen aufrechtzuerhalten. ⦠dass Sie sich dort manipuliert und kontrolliert fühlten â erpresst, um diesen Begriff zu benutzen â ⦠in einer Umgebung, in der die Menschen nicht vertrauenswürdig sind ⦠wo emotionale Erpressung normal ist und wo es nicht klug wäre, sich zu entspannen. Eine Umgebung, in der Sie sich niemals von jemandem halten lassen würden, auch wenn Sie sich noch so dringend danach sehnten.«
Philipp vergrub sein Gesicht in den Händen. Nachdem er einige Minuten geschwiegen hatte, lieà er die Hände wieder sinken und seufzte. Dann beschrieb er, wie er bei seinen Eltern und seiner GroÃmutter aufgewachsen war, die im Haushalt der Familie gelebt hatte. Seine Eltern hatten sich ständig gestritten. Und zu allem Ãberfluss hatte sich die GroÃmutter (die Mutter seines Vaters) auch noch eingemischt. Er erinnerte sich, wie er in seinem Zimmer gesessen und versucht hatte, die lauten Streitereien, die durch das ganze Haus schallten, zu ignorieren. Seine Mutter war oft depressiv oder wütend gewesen, und sie hatte sich Philipp gegenüber bitterlich über seine GroÃmutter beklagt. Die Mutter hatte ihre Depression ausgenutzt, um Philipp zu zwingen, sich ihr Gemeckere anzuhören.
Philipps Blick war nach innen gerichtet. »â¦Â Mir ist klar, wie ich Nicole manipuliere und kontrolliere ⦠Ich erpresse sie, mir zu geben, was ich will ⦠oder ich hindere sie daran, mich zu konfrontieren, indem ich die Situation so stark eskalieren lasse, dass sie es vorzieht, sich daraus zurückzuziehen. Mein Vater hat das ständig getan!«
Philipp starrte lange auf den Boden und lieà im Geiste seine Vergangenheit an sich vorüberziehen. Als er aufblickte, hatte sich sein Gesichtsausdruck erstaunlich stark verändert.
»Sie sollten Ihr Gesicht jetzt sehen«, sagte ich. »Ich weià nicht, ob es noch so sein wird wie jetzt, wenn Sie das nächste Mal im Bad in den Spiegel schauen, aber Sie sollten es sich unbedingt anschauen und das jetzige Aussehen mit dem Zustand dann vergleichen.«
»Warum?«
»Ihr Gesicht ist weicher geworden. Ihre Gesichtsmuskeln sind jetzt nicht mehr so angespannt. Ihr Gesicht ist ausdrucksvoller und nicht mehr so teilnahmslos wie vorher.«
Nicole nickte verständnisvoll. Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich sehe es auch.«
Philipp hatte als Kind eine Maske entwickelt, um vor seinem Vater verbergen zu können, was in seinem Geist vor sich ging Als er herangewachsen war und sein Gehirn die beiden Prägungs- und Neuprägungsperioden der Kindheit und Adoleszenz durchlebt hatte, glich sein Gesicht einer Maske.
Verwechseln Sie Schwäche nicht mit Macht
Menschen verwechseln Schwäche oft mit Macht. Dieser Fehler war Philipp in seiner Beziehung zu seinem Vater unterlaufen. Philipps Vater war Alkoholiker, arbeitete auf einer Bohrinsel und neigte zur Gewalttätigkeit. An Land war er meist betrunken und wurde dann oft bösartig. Philipp hatte während seiner Kindheit versucht, ihm aus dem Weg zu gehen. Er beschrieb seinen Vater als einen starken, meist schlecht gelaunten Mann, der jeden überwältigte, der ihn herausforderte.
In Wirklichkeit war Philipps Vater ein schwacher Mann. Was Philipp fürchten musste, war seine Schwäche . Schwache Menschen sind destruktiv, mächtige konstruktiv. Mächtige Menschen schaffen, fördern und ermöglichen Dinge. Schwache Menschen wie Philipps Vater verbringen ihre Zeit damit, andere einzuschränken und ihrer Kontrolle zu unterwerfen. Es gibt gute Gründe, schwache Menschen zu fürchten.
Der
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