Intimitaet und Verlangen
wäre Thomas dafür verantwortlich gewesen, dass sie sich sicherer fühlte.) Sharon verbarg sich beim Sex, weil ihr sexuelle Situationen als zu enthüllend und somit als zu intim erschienen â weil sie über das hinausgingen, was die Entwicklungsstufe der Vier Aspekte der Balance ihr ermöglichte. Sharon wehrte sich dagegen, dass Thomas versuchte, ihre geheimen sexuellen Wünsche und Phantasien herauszufinden. Insofern verhielt sie sich genau wie Thomas, wenn dieser sie daran hinderte, in seinen Gefühlen »herumzuschnüffeln«.
Sharon hatte Thomas gegenüber die Kontrolle über den Sex, weil von ihr auch abhing, ob Thomas sich begehrenswert fühlte. Dies hatte ein Ende, als Thomas sich nicht mehr von Fremdbestätigung abhängig machte. Zu einem bestimmten Zeitpunkt hörte er auf, lautstark zum Gegenangriff überzugehen, und stattdessen senkte er den Blick und sagte ruhig und mit trauriger und ernster Miene: »WeiÃt du, ich ertrage es einfach nicht mehr, mich wegen Sex zu streiten oder darüber zu diskutieren.«
Dieses Verhalten hatte Sharon bei ihm vorher noch nie erlebt. Wenn er aufstand oder zu Bett ging, war es für sie, als hätte sie einen völlig fremden Menschen vor sich. Dann fühlte sie sich in seinen Geist ein, und ihr wurde klar, dass er die Wahrheit sagte und dass er sie dies auch wissen lassen wollte. Sie spürte, dass sie die Kontrolle über ihn verlor, und das ängstigte sie. Sowohl im Bereich der Intimität als auch in dem des Sex verliert der verlangensschwächere Partner die Kontrolle über die Beziehung, wenn der verlangensstärkere ein stabileres und flexibleres Selbst entwickelt.
Abhängigkeit von fremdbestätigter Intimität führt zu emotionalen Pattsituationen
Gegen fremdbestätigte Intimität oder dagegen, dass Sharon sich diese wünschte, ist an und für sich nichts einzuwenden. Angesichts ihres gespiegelten Selbstempfindens war dieser Wunsch völlig plausibel. Das Problem ist, dass diese Quelle der Bestätigung nach einer Weile austrocknet. Ihr Partner kämpft um den Erhalt seiner Autonomie, und dieser Kampf gelangt zum Ausdruck, indem er sich weigert, Sie zu jedem von Ihnen gewünschten Zeitpunkt zu bestätigen und zu beruhigen. So ist das nun einmal in einer Ehe.
Wahrscheinlich gefällt Ihnen die Phantasievorstellung, sich in einer Liebesbeziehung zu verlieren. Das klingt zunächst sehr romantisch. Doch wenn die Vier Aspekte bei Ihnen nicht ausreichend entwickelt sind, kommt es unweigerlich zu einem Konflikt zwischen dem Streben nach Autonomie und dem Bedürfnis nach einer Bindung. Ihre eigenen Abhängigkeits- und Autonomiebedürfnisse stimulieren den Differenzierungsprozess. Das Bedürfnis nach Getrenntheit tritt bei Ihnen und Ihrem Partner zutage, wenn die Abhängigkeit von fremdbestätigter Intimität den Weg alles Irdischen gegangen ist.
Fremdbestimmte Intimität ist zeitlich begrenzt
Wenn Sie sich davon abhängig fühlen, akzeptiert und bestätigt zu werden und der Empathie Ihres Partners gewiss sein zu können â in Verbindung mit dem Gefühl, ein Anrecht auf all dies zu haben â, entsteht ein Zustand emotionaler Stagnation. In längerfristigen Liebesbeziehungen hat fremdbestätigte Intimität nur für begrenzte Zeit Bestand.
Viele Paare erreichen durch gegenseitige Bestätigung und freien Austausch zeitweise ein hohes Maà an Intimität; doch sobald die Funktionsübertragung ihren Dienst versagt, gelingt es ihnen nicht mehr, dieses hohe Niveau aufrechtzuerhalten. Beziehungen, die auf fremdbestätigter Intimität beruhen, geraten in Gefahr, wenn einer der Partner den anderen nicht mehr vorbehaltlos bestätigt oder sich nicht mehr im gleichen MaÃe wie der andere offenbart.
Sharon forderte von Thomas, sie auf der Basis von Gegenseitigkeit zu akzeptieren, bevor sie sich ihm sexuell öffnen wollte. Es gelang ihr aber nicht, sich das Gefühl, akzeptiert zu werden, zu sichern, bevor sie sich offenbarte. Was sie sich wünschte, erforderte, dass Thomas sie in Kenntnis ihres Zustandes akzeptierte. Dieses inhärente Paradox liegt bei zahllosen Paaren vor, und je schwächer die Vier Aspekte der Balance bei Partnern ausgeprägt sind, umso schneller tritt es ein. Die entscheidende Frage ist, ob Sie weiter auf dem Unmöglichen beharren wollen oder ob Sie erwachsen werden â womit ich meine, dass Sie
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