Intimitaet und Verlangen
sich heran. So entscheidet der Partner mit dem schwächeren Verlangen über das Niveau der Intimität.
Nun sind wir an den Punkt gekommen, von dem ab sich die Wirkungsweisen des sexuellen Verlangens und der Intimität unterscheiden. Beim Sex hat der verlangensschwächere Partner immer die Kontrolle. Durch Arbeit an der Entwicklung der Vier Aspekte lernen beide Partner, mit dieser Tatsache besser umzugehen. Doch ganz gleich, ob sie einen hohen Differenzierungsgrad erreicht haben oder sich noch im Zustand emotionaler Verschmelzung befinden, der verlangensschwächere Partner hat in jedem Fall die Kontrolle über den Sex.
Bei der Intimität verhält es sich anders, weil fremdbestätigter und selbstbestätigter Intimität unterschiedliche Dynamiken zugrunde liegen. Ihr Differenzierungsniveau verändert die Funktionsweise der Beziehung. Bei fremd bestätigter Intimität entscheidet immer der verlangensschwächere Partner über das Intimitätsniveau. Doch wenn beide Partner die Vier Aspekte entwickeln, beginnen sie, die selbst bestätigte Intimität zu erforschen, und dadurch verändert sich die ganze Situation: Der Partner mit dem stärkeren Verlangen nach selbst bestätigter Intimität â also der in dieser Hinsicht verlangensstärkere Partner â bestimmt Zeitpunkt und Häufigkeit intimer Situationen und deren Tiefe.
Bei der fremd bestätigten Intimität verhält es sich genau wie beim Sex: Der Partner mit dem schwächeren Verlangen entscheidet, was geschieht. Wenn Sie ein stabiles und gleichzeitig flexibles Selbst haben und in der Lage sind, sich selbst zu beruhigen, stehen Sie zu dem, was es bei Ihnen zu offenbaren gibt, und Sie können alles sagen, was Sie sagen müssen. Ihr Partner hat dann keinen Einfluss auf Sie oder auf das Niveau der Intimität in Ihrer Ehe oder Beziehung.
Natürlich kann der hinsichtlich der Intimität verlangensschwächere Partner jederzeit aufstehen und weggehen, ebenso wie der Partner mit dem schwächeren sexuellen Verlangen jederzeit den Sex verweigern kann. Doch diese Karte lässt sich nur in gewissen Grenzen ausspielen, wenn man den Bestand der Ehe nicht gefährden will â und vor allem, wenn man weiterhin glücklich verheiratet bleiben will.
Intimität und das Gefühl, Ansprüchen gerecht werden zu können
In Kapitel 3 ging es darum, dass der Partner mit dem schwächeren sexuellen Verlangen auch das Gefühl des verlangensstärkeren Partners, seinen Ansprüchen gerecht zu werden, kontrolliert. Das ist deshalb so, weil das Selbstempfinden des verlangensstärkeren Partners auf sexueller Aktivität beruht und darauf, dass er sexuell begehrt wird. Tatsächlich hängt es auch hinsichtlich der Intimität vom verlangensschwächeren Partner ab, ob der andere sich wohlfühlt â und zwar aus ähnlichen Gründen wie beim Sex.
Wenn Sie sich von fremdbestätigter Intimität abhängig machen, leidet Ihr Selbstwertgefühl darunter, dass Ihr Partner nicht mit Ihnen reden will. Damit verhält es sich genauso, wie wenn ein Mensch mit starkem sexuellem Verlangen psychisch zusammenbricht, weil sein Partner aufgrund seines schwächeren Verlangens keinen Sex mit ihm will. Sharon fühlte sich gut, wenn Thomas ihr seine Gefühle und Gedanken offenbarte und zulieÃ, dass sie sich in das, was in seinem Geist vor sich ging, einfühlte. Gestattete er ihr dies nicht, fühlte sie sich zurückgewiesen. Er wollte auf diese Weise verhindern, dass sie Dinge herausfände, die sie verletzt hätten.
Natürlich sah Sharon dies anders. Sie glaubte, Thomas habe Probleme mit Intimität. Sie wollte ihm nur nahe sein. Nach ihrer Auffassung fixierte Thomas sich auf Sex, um Intimität zu vermeiden.
So entstand ein massives Patt. Wenn bei Menschen die Vier Aspekte nicht gut entwickelt sind, können die Betreffenden Intimität nur in sehr begrenztem MaÃe ertragen. Doch obwohl Sharon so sehr darüber klagte, dass Thomas zu Intimität nicht in der Lage sei, wollte sie doch andererseits nichts von ihm hören, was ihr nicht schmeichelte und sie nicht bestätigte. AuÃerdem reagierte sie sehr zurückhaltend, wenn Thomas auf sexuelle Intimität zusteuerte.
Tatsächlich war Sharon unwohl dabei, sexuell erkannt zu werden. Sie führte das darauf zurück, dass sie sich bei Thomas nicht sicher und geborgen genug fühle. (Demnach
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