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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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eigentlich tun will, schwillt Ihr gespiegeltes Selbstempfinden an. Tatsächlich erwarten Sie von ihr wahrscheinlich, dass sie sich aufopfert, um Sie zu unterstützen. Diese Art von Interaktion bestimmt die Beziehungen wenig differenzierter Menschen. Wir halten dies für die menschliche Natur, doch in Wahrheit ist es etwas, das dem menschlichen Verlangen seinen einzigartigen Charakter verleiht.
    Vergemeinschaftete Genitalien: Emotionale Verschmelzung und Funktionsübertragung
    Den Begriff »vergemeinschaftete Genitalien« habe ich für Partner geprägt, die den Eindruck erwecken, sie hätten ein Anrecht darauf, den Körper ihres Partners für sexuelle Zwecke zu benutzen. Der Begriff beschreibt, wie Menschen sich fühlen und wie sie handeln. »Vergemeinschaftete Genitalien« klingt wie: »Wenn ich keine Möglichkeit habe, mir andere Partner zu suchen, müssen deine Genitalien mir gehören. Halte sie sauber und jederzeit gebrauchsbereit, und gestatte mir, sie zu benutzen, wann immer ich dies will.« 15
    Einige Religionen propagieren die auch nicht besonders hilfreiche Idee einer »ehelichen Pflicht«. 16 Sobald von sexuellen Verpflichtungen die Rede ist, lässt eine Schwächung des Verlangens nicht lange auf sich warten. Auf den ersten Blick mag es plausibel klingen, wenn es heißt, sexueller Verkehr sei in einer Ehe zu erwarten. Wenn jedoch die Vier Aspekte eines Menschen schwach sind, entstehen durch diese Erwartung Schwierigkeiten. Die übliche Monogamie-/Treue-Vereinbarung schwächt das Verlangen, weil sie ein möglicherweise unsicheres gespiegeltes Selbstempfinden noch stärker beeinträchtigt.
    Ganz gleich, ob Ihr eigenes fragiles Selbstempfinden oder das Ihrer Partnerin der Auslöser ist – je schwächer die Vier Aspekte bei Ihnen sind, umso wahrscheinlicher ruft Monogamie bei Ihnen oder ihr ein Gefühl der Tyrannei und des Autonomieverlustes hervor. Dies schwächt sogar bei Menschen, die Sex wirklich mögen, das Verlangen. Kämpfe um das Selbstempfinden beeinflussen das sexuelle Verlangen wesentlich stärker als der hormongesteuerte Sexualtrieb.
    Wenn ich hier von »vergemeinschafteten Genitalien« spreche, stellen Sie sich möglicherweise einen Menschen vor, der egoistisch und unreif ist und ein starkes sexuelles Verlangen hat – jemanden, der sich darüber beklagt, dass seine physischen Bedürfnisse nicht erfüllt werden, und der sich so verhält, als ob die Vaginaseiner Frau ihm gehöre; jemanden, der selbst dann, wenn sie nicht an Sex interessiert ist, ihren Körper benutzen will, um selbst zum Orgasmus zu kommen.
    Doch wie viele Menschen mit einem stärkeren sexuellen Verlangen entsprach auch Karen nicht diesem Bild. Sie wollte mit Julian zusammen sein. Er hingegen hatte die Geisteshaltung »Du willst doch nur meinen Körper« ins Spiel gebracht. Und dies war ihm gar nicht klar. Seit er wusste, dass Karen eine Affäre gehabt hatte, war er sehr verunsichert. Er hatte sich von einer Monogamievereinbarung mehr Sicherheit versprochen. Tatsächlich setzte genau diese Vereinbarung ihn in sexueller Hinsicht unter Druck.
    Mutter Natur entwickelt für die primitivsten Bereiche unseres Gehirns immer komplexere Adaptationen. Das ist deshalb passiert, weil sich zahllose Paare über Millionen von Jahren Tag für Tag mit solchen Dynamiken auseinandergesetzt haben. Unsere Vorfahren haben aus Gründen der Selbstverteidigung einen Präfrontalkortex entwickelt.
    Man kann auch aus den falschen Gründen für Monogamie sein
    Manchmal fordern wir Ausschließlichkeit, weil wir fürchten, unser Partner könnte jemand »Besseren« finden. Wir suchen dann Schutz vor unserer eigenen Angst, wir könnten unattraktiv, wertlos und nicht begehrenswert sein. Manchmal wünschen wir uns eine »Verpflichtung«, um mit unserer Angst davor fertigzuwerden, dass wir irgendwann alt und unattraktiver sein werden, oder wir wünschen uns Sicherheit, um einfach in aller Ruhe dick und fett werden zu können. Manchmal versuchen wir auch, unseren Partner zu dem Versprechen zu bewegen, dass er immer für uns da sein wird – bevor er zu viel über uns herausfindet. Wir möchten ihn an eine solche »blinde« Entscheidung gebunden wissen, weil wir nicht davon überzeugt sind, dass er sich auch dann noch für uns entscheiden würde, wenn er genau wüsste, was er sich mit uns

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