Intimitaet und Verlangen
beim Vorspiel seinen Penis berührte, weil er dann noch schneller den Höhepunkt erreichte. Oralsex war ebenfalls ausgeschlossen, weil Julian sich nicht wohl dabei fühlte, Karens Vagina zu lecken. Karen hatte ihn zwar dazu aufgefordert, aber er hatte stets Einwände dagegen vorgebracht. Sie hatte nicht darauf bestanden, weil sie fürchtete, Julian würde den Sex noch stärker rationieren, wenn sie ihn durch ihren Wunsch verärgerte. Karen verzichtete auch darauf, Julian oral zu stimulieren, weil er befürchtete, dadurch noch schneller den Höhepunkt zu erreichen. Er hatte gesagt, da er nun einmal so schnell ejakuliere, wolle er wenigstens in Karen sein, wenn dies geschehe.
Julian entschied nicht nur über den Ablauf seiner sexuellen Aktivitäten mitKaren, sondern bestimmte auch das Maà an Intimität und die Stärke der Erotik zwischen ihnen. AuÃerdem hatte er die Kontrolle über die Bedeutung des Sex und der Botschaften, die sie einander übermittelten. Dies geschah durch mentale Einfühlung in subtile Verhaltenssignale.
Das kann durch etwas so Simples wie einen Kuss geschehen. Julian mochte es nicht, zu »knutschen«. Karen fühlte sich verletzt und zog sich zurück, wenn er seinen Kopf von ihr abwendete. Sie empfing klar und deutlich das Signal, dass Julian sie nicht küssen wollte. AuÃerdem war es bei ihnen beim Sex grundsätzlich stockdunkel, weil Julian das angeblich als »romantischer« empfand. In Wahrheit fühlte er sich bei echter Intimität nicht wohl. Die Dunkelheit bevorzugte er, weil er sich in ihr geschützter fühlte. Als Karen ihm vorschlug, sich mit ihr zusammen einen Pornofilm anzuschauen, erklärte er zwar, er sei daran interessiert, doch da er auf ihren Vorschlag nie wieder zurückkam, ganz zu schweigen davon, dass er ihn in die Tat umgesetzt hätte, nahm sie an, die Aktion sei ihm letztendlich doch nicht recht. Karen beobachtete Julian ständig, um herauszufinden, wie direkt sie ihm gegenüber das Thema Sex zur Sprache bringen konnte, ohne ihn zu verängstigen oder zu verärgern.
Auch Julian versuchte andauernd, Karens Reaktionen einzuschätzen. Er wusste, dass Karen sich zwar mehr Küsse wünschte, dass sie aber ebenso wenig darauf beharren würde wie generell auf Sex. Und er brauchte nur zu zögern, ob beim Küssen oder beim Sex, und Karen verstand den Wink und trat den Rückzug an. Julians und Karens Verhandlungen über Intimität, Erotik und die Bedeutung sexueller Aktivitäten während des Vorspiels waren von mentalem Spiegeln bestimmt.
Meist reichte dies aus, doch irgendwann wechselte sie zu einer anderen Strategie: Julian hatte überschätzt, wie stark sich Karen an ihr Treueversprechen gebunden fühlen würde. Als sie ihre Affäre hatte, war er völlig schockiert darüber, dass er falsch eingeschätzt hatte, was in ihr vorging.
Dies war unter anderem deshalb passiert, weil Julian nicht klar gewesen war, wie wütend Karen war und wie stark sie sich von ihm kontrolliert fühlte. Dass Julian die Situation falsch eingeschätzt hatte, beruhte zum Teil auf der Stärke von Karens Bemühungen, zu verhindern, dass Julian ihre Gedanken las. Sie wollte nicht, dass er merkte, was tatsächlich in ihr vorging, weil er andernfalls hätte herausfinden können, dass sie eine Affäre begonnen hatte.
Affären sind keine Akte der Autonomie oder der Differenzierung
In den letzten Jahren hatte Karens Verlangen nach Sex mit Julian deutlich abgenommen. Doch obwohl sie praktisch sexuell abstinent lebten, war Karens Verlangen nach Sex grundsätzlich sehr stark. Sie rang mit ihrem starken Bedürfnis, ihr Verlangen in einer Affäre auszuleben. Sie sah sich im Internet Pornofilme an, nahm an Sex-Chats teil und begann schlieÃlich eine Affäre mit einer Internetbekanntschaft.
Affären sind Pseudo-Differenzierungen â Vorspiegelungen dessen, dass man auf eigenen FüÃen steht, obwohl dies nicht der Fall ist. Karens Affäre hatte etwas von der Zerstörung eines Monopols und von der Weigerung, sich einem Tyrannen zu unterwerfen. Doch beide Motive waren im Grunde nichts weiter als verkleideter Trotz. Wenn Sie Ihrem Partner »eine Nase drehen«, stärken Sie dadurch nicht die Vier Aspekte.
Trotz ist nicht gleichbedeutend mit Autonomie, weil die Kontrolle dann weiterhin bei Ihrem Partner und nicht bei Ihnen selbst liegt. »Aus der Tyrannei
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