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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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Gedanken andere Menschen über Sie zu enthüllen, und die Belohnungszentren im Gehirn schütten Dopamin aus, wenn diejenigen, die sich über die gültigen sozialen Regeln hinwegsetzen, bestraft werden. 18
    Bestimmte Aspekte des komplexen Monogamiesystems basieren also auf der interpersonalen Neurobiologie und auf der Funktionsweise des Gehirns. Dieses System verwandelte unsere wilden Vorfahren in Menschen und ermöglichte die Entstehung der menschlichen Kultur. Die Art von Monogamie, die den meisten Menschen bekannt ist, wird von außen aufgezwungen, unabhängig davon, ob wir das Gefühl haben, dass der Anpassungsdruck von unserem Partner oder von der Gesellschaft insgesamt ausgeht. Diese Art von Monogamie basiert darauf, dass die Vier Aspekte nicht besonders entwickelt sind – wodurch wiederum die Probleme entstehen, mit denen wir uns in diesem Buch bisher befasst haben.
    Großzügig sein, statt dem anderen etwas vorzuenthalten
    Es gibt noch eine zweite Art von Monogamie, die auf Selbstkonfrontation, Selbstberuhigung, Nicht-Defensivität und Frustrationstoleranz basiert. Sie resultiert aus einem stabilen und flexiblen Selbst, einem stillen Geist und einem ruhigen Herzen, einer maßvollen Reaktionsweise und sinnvoller Beharrlichkeit. Dabei geht es um etwas, das Sie für sich selbst tun. Diese Art von Monogamie ist selbstauferlegt, und sie wirkt anders als die von außen auferlegte Monogamie. Sie regt zu Großzügigkeit an, statt dem anderen etwas vorzuenthalten, und sie führt zur Freiheit statt zur Tyrannei.
    Julian und Karen hatten nun wieder häufiger Sex – und dieser war besser als vorher. Karen ergriff wieder die Initiative, und Julian rang länger mit sich, bevor er nein sagte. Er ließ Karens Initiative nicht mehr einfach ins Leere laufen, und er behandelte seine Partnerin auch nicht mehr herablassend. Er war beim Sex stärker präsent, als dass er nur der äußeren Form nach »dabei« war. Und Karen reagierte verständnisvoller und weniger defensiv, wenn Julian sich nicht auf Sex einlassen wollte.
    Auch Julian initiierte nun häufiger sexuelle Begegnungen. Seine Probleme mit Frauen im Allgemeinen, seine Tendenz zu verächtlichen Reaktionen und dazu, sich kontrolliert zu fühlen, existierten zwar noch, aber ihm wurde allmählich klar, dass sein Hang, Karen Sex vorzuenthalten, ebenso viel mit ihm selbst wie mit Karen zu tun hatte.
    Einmal ertappte Julian sich dabei, wie er darüber nachdachte, dass Karen ständig Sex von ihm fordere und ihn so ausbeute. Ihm wurde klar, dass er diese Gedanken hatte – und gleichzeitig wusste er, dass sie nicht zutrafen! Daraufhin ging er gleich zu Karen und animierte sie zum gemeinsamen Sex. Zu seiner Überraschung und Freude wurde die sexuelle Begegnung, die sich daraus ergab, sehr schön und angenehm. Danach gelang es ihm, allmählich seine Gedanken und Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Sein Selbstwertgefühl und sein sexuelles Verlangen wurden stärker, und dies spornte ihn dazu an, Karen gegenüber großzügiger zu sein. Weil Karen Julian während dieses Prozesses miterlebte, entwickelte sie ihm gegenüber mehr Respekt, und auch ihr Verlangen nach ihm wurde stärker.
    Das Vorspiel der beiden wurde abwechslungsreicher und ausgiebiger. Oft war es langsamer, weniger hastig und zärtlicher, und beide Partner nahmen sich die Zeit, einander zu angenehmen Empfindungen zu verhelfen. Andere Situationen waren spielerischer, aufregender oder abenteuerlustiger. Generell waren Intimität und Sinn des Geschehens tiefer und facettenreicher als vorher. Das Vorspiel war ein Ausdruck der Botschaft »Was wollen wir heute spielen?« statt »Mit wie wenig Zuwendung komme ich heute aus?«
    Monogamie bei einem hohen Differenzierungsgrad stärkt das sexuelle Verlangen. Sie wollen Ihrem Partner das Beste geben. Trotzdem müssen Sie mit Ihrer Faulheit und Ihrem Egoismus kämpfen. Dabei hilft Ihnen eine »kaufmännische« Perspektive: Ihnen wird klar, dass Ihr Partner ein Kleinod ist – jemand, den andere sich auf dem Markt der Kontaktanbahnung blitzschnell schnappen würden. Er ist ein »wertvolles Gut«, mit dem auch viele Ihrer Freunde nur zu gern ins Bett gehen würden. Insofern liegt es schlicht und einfach in Ihrem eigenen Interesse, Ihren Partner sexuell glücklich zu machen. Wenn Sie ihm absichtlich Sex vorenthalten, schaden Sie

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