Intruder 2
Gelächter quittiert wurde. Der Ranger mit dem Bürstenhaarschnitt warf ihnen einen zornigen Blick zu, und das Gelächter wurde eine Spur leiser; aber wirklich nur eine Spur. Mike sah aus den Augenwinkeln, dass auch der Indianer näher gekommen war. Etwas bewegte sich zwischen den Motorrädern. Etwas Dunkles, Gefährliches, mit Klauen und mörderischen Reißzähnen.
Mittlerweile hatte Stefan die Plastiktüte geöffnet und hinein-gegriffen. Mike sah, wie er für einen Moment in der Bewegung erstarrte und sein Gesicht alle Farbe verlor.
»Sag nicht, dass es das ist, was ich glaube«, murmelte Frank.
»Aber das ... das kann doch gar nicht sein«, stammelte Stefan.
»Das ist doch nicht möglich.«
Er zog die Hand aus der Tüte. Mike hätte das, was er darin hielt, für ein achtlos ausgerissenes Büschel Unkraut halten können. Aber er wusste nur zu gut, was es war.
»Hast du den Verstand verloren?«, flüsterte Frank. Die Frage galt Stefan, aber er sah nicht ihn an, sondern starrte aus weit aufgerissenen Augen auf den saftig-grünen Schössling, den Stefan in der Hand hielt. Er sah mickerig aus, verkrüppelt.
Aber natürlich war das genaue Gegenteil der Fall.
»Ich war das nicht«, beteuerte Stefan. »Ich habe keine Ahnung, wie das Zeug in meine Satteltaschen kommt. Das schwö-
re ich! Es war heute Morgen noch nicht darin!«
»Du bist übergeschnappt«, sagte Frank leise. Seine Stimme zitterte vor Wut. »Hast du dein Gehirn beim Zoll abgegeben und dort liegen lassen?«
»Ich war es nicht!«, schrie Stefan. »Ich bin doch nicht komplett blöde!«
Der Ranger unterbrach ihn in rüdem Ton und deutete dabei herrisch auf die zweite Plastiktüte. Keiner von ihnen war überrascht, als darin ein weiterer, sorgsam ausgegrabener Bonsai zum Vorschein kam.
»Das war's dann wohl«, sagte Frank düster. »Das Zeug steht unter Naturschutz. Die Amis verstehen da keinen Spaß. Und die Park-Ranger schon gar nicht.«
»Ich habe keine Ahnung, wie das Zeug in meine Satteltaschen kommt«, sagte Stefan noch einmal. Aus dem Schrecken in seiner Stimme wurde etwas anderes. Wut?
»Ich war das nicht«, beteuerte er noch einmal.
»Aber außer dir und uns beiden war niemand in diesem Park«, sagte Frank.
»Eben«, sagte Stefan böse.
»Was willst du damit sagen?«
»Nichts«, antwortete Stefan. »Nichts anderes als du. Außer mir und euch beiden war niemand da. Und ich habe dieses verdammte Zeug nicht in meine Satteltaschen getan.«
Das war nicht ganz die Wahrheit, dachte Mike. Außer ihnen dreien war noch jemand im Park gewesen. Er war vermutlich noch da, in den Boden gerammt und mit einem Gesicht, das zu Mus zermanscht worden war.
»Was willst du damit sagen?«, fragte Frank noch einmal. Er klang jetzt nicht mehr zornig, sondern einfach nur fassungslos.
Stefan kam nicht dazu, zu antworten. Der Ranger packte ihn grob an der Schulter und zerrte ihn herum. Mit der anderen Hand griff er nach hinten, um die Handschellen aus dem Gürtel zu ziehen. Mike hielt die Luft an, als er sah, wie Stefan sich spannte. Stefan war nicht unbedingt der beherrschteste Mensch, den er kannte. Und er schleifte im Moment mit den Nerven am Fußboden, wie sie alle.
»Tu jetzt nichts, was du bedauern würdest«, sagte Frank.
Vermutlich hörte Stefan die Worte gar nicht, aber er riss sich im letzten Moment zusammen, entspannte sich sichtbar und zwang sogar ein verkniffenes Lächeln auf sein Gesicht. Der Ranger hatte die Handschellen aus dem Gürtel gezogen, machte aber noch keine Anstalten, sie Stefan anzulegen, sondern hatte sich halb umgedreht, um zu seinem Partner zu sehen. Der zweite Ranger war in eine hitzige Diskussion mit mehreren Rockern verstrickt.
»Was geht da vor?«
»Ärger«, antwortete Frank gepresst. »Die Jungs regen sich darüber auf, dass die Ranger nichts Besseres zu tun haben, als harmlose Biker zu terrorisieren.«
»Ich dachte, Suzuki-Fahrer sind für echte Harley-Fans Ab-schaum«, sagte Mike.
»Sind sie«, bestätigte Frank. »Gleich nach den Cops. Die Kerle sind schon mit dem festen Vorsatz hierher gekommen, jemanden aufzumischen. Wenn die Ranger nicht aufgetaucht wären, hätten sie sich wahrscheinlich uns vorgeknöpft.«
Womit er vermutlich den Nagel auf den Kopf traf. Fanatische Harley-Fans verachteten jeden, der ein Motorrad einer anderen Marke fuhr, und japanische Chopper hassten sie regelrecht.
Aber nun waren die Ranger aufgekreuzt, um ein paar deutschen Bikern Ärger zu machen, und ihr Auftreten als Staatsgewalt musste
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