Intruder 2
den Hells Angels geradezu wie die Aufforderung zu einer hübschen kleinen Provokation erscheinen. Mike war allerdings nicht sicher, ob er froh darüber sein sollte. Ganz und gar nicht.
Die beiden Ranger schienen das wohl genauso zu sehen, denn ihre Aufmerksamkeit konzentrierte sich nun ganz auf den Anführer der Hells Angels: den Mann mit der Rebellenfahne am Sattel. Mike verstand nicht, was gesprochen wurde, aber das musste er auch nicht. Allein die Körpersprache der beiden Ranger sagte ihm mehr als genug. Sie standen hoch aufgerichtet und in eindeutig aggressiver Haltung vor dem Rocker, als hätten sie es nur mit einem einzigen Mann zu tun, nicht mit annähernd zwei Dutzend. Vom Prinzip der Deeskalation, das die deutsche Polizei seit Jahren einigermaßen erfolgreich prak-tizierte, schien man hier in den Staaten nicht besonders viel zu halten. Staatsgewalt, dachte er. Die beiden Ranger repräsentier-ten die ordnende Macht des Staates, und diese Autorität durfte nicht nachgeben, nicht einem und nicht Hunderten von Hells Angels. Mike hatte immer gewusst, dass die Amerikaner ein ganz besonders inniges Verhältnis zur Gewalt hatten, aber ihm war noch niemals so deutlich wie jetzt zu Bewusstsein gekommen, wie fremd ihm diese Philosophie war.
Sein Blick suchte den Indianer. Im ersten Moment konnte er ihn nirgendwo entdecken, doch dann bemerkte er ihn unmittelbar hinter dem Anführer der Hells Angels, so deutlich, dass er sich fragte, wie zum Teufel er ihn auch nur für einen Sekundenbruchteil hatte übersehen können. Er trug immer noch den Helm. Das schwarze Visier war heruntergeklappt, sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und rührte sich nicht. Trotzdem wirkte er bedrohlicher als der drei-Zentner-Mann vor ihm, der hektisch mit beiden Händen in der Luft herumfuhrwerkte und die beiden Ranger mittlerweile offen anschrie.
Es ging so schnell, dass selbst Mike es kaum sah, ganz zu schweigen seine beiden Freunde: Der Indianer hob den Arm, und der Rocker-Chef vollzog die Bewegung so getreulich nach wie eine Marionette, deren Spieler an den Fäden zog. Sein erster Fausthieb verfehlte das Gesicht des Rangers, der offenbar mit einem Angriff gerechnet hatte, denn er drehte blitzschnell den Oberkörper zur Seite und steppte einen halben Schritt nach links. Aber auch der Indianer reagierte sofort. Er machte eine weitere Marionettenspieler-Bewegung, der Rocker trat nach vorne und rammte dem Ranger die Faust mit solcher Wucht in den Leib, dass dieser mit einem atemlosen Japser zusammenklappte. Der Indianer riss das Knie in die Höhe, das Knie des Hells Angels vollzog die Bewegung nach und landete mit einem dumpfen Laut genau im Gesicht des Park-Rangers.
Die Rocker johlten Beifall, als der Mann bewusstlos zusam-menbrach.
»Scheiße!«, sagte Frank inbrünstig.
Der Indianer ... verschwand. Er rannte nicht davon oder zog sich in den Kreis der anderen Rocker zurück, sondern er war von einem Sekundenbruchteil auf den anderen einfach nicht mehr da - aber damit war die Gefahr längst nicht vorüber!
Der zweite Ranger beging nicht den Fehler, seinem Kollegen zu Hilfe zu eilen, oder den Schlagstock zu ziehen, der in seinem Gürtel steckte, sondern tat das einzig Vernünftige: Er wirbelte auf dem Absatz herum und rannte zu seinem Wagen.
Es nutzte ihm nichts. Zwei oder drei Hells Angels amüsierten sich damit, die Festigkeit ihrer Stiefelspitzen an den Rippen des Rangers auszuprobieren, der verkrümmt zwischen ihnen am Boden lag, aber der Rest der Bande stürzte johlend hinter seinem fliehenden Kollegen her. Frank brachte sich mit einem fast verzweifelt wirkenden Sprung in Sicherheit, aber Stefan reagierte zu spät und wurde einfach über den Haufen gerannt.
Er stürzte, rollte sich instinktiv auf den Bauch und schlug die Arme über dem Kopf zusammen, während zwei Rocker mit solcher Wucht gegen Mikes Maschine prallten, dass er um ein Haar zusammen mit der Intruder zu Boden gegangen wäre.
Irgendwie schaffte er es, den Sturz zu vermeiden, und seine nächste Handlung war nicht geplant, sondern ein reiner Reflex
- und rettete ihm möglicherweise das Leben: Noch während er verzweifelt um das Gleichgewicht der kippenden Maschine kämpfte, drückte sein rechter Daumen den Anlasser. Er rammte den Gang hinein, riss mit aller Kraft am Gasgriff, und der Motor der Intruder brüllte auf und katapultierte ihn regelrecht nach vorne.
Fast wäre er doch noch gestürzt, als das Hinterrad der
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