Intruder 4
machte nicht unbedingt einen frischen Eindruck. Er war bleich wie die sprichwörtliche Wand. Auf seinem Gesicht perlte Schweiß, und die Sonnenbrille hatte zwei tiefe, dunkelrote Halbkreise in das weiche Fleisch unter seinen Augen gegraben. Die Hitze setzte ihnen allen zu, Stefan offensichtlich am meisten.
Sie überquerten den Parkplatz (der Asphalt war so heiß, dass Mike es durch die Stiefelsohlen hindurch spüren konnte!) und betraten den Schnellimbiss, eine Mischung aus einem herun-tergekommenen McDonald's und etwas noch viel Schlimme-rem, für das er lieber keinen Ausdruck finden wollte. Stefan verdrehte die Augen, sparte sich aber jeden Kommentar, bis sie ihre Bestellung aufgegeben, dieselbe bekommen und er den ersten gewaltigen Schluck getrunken hatte. Es waren nicht allzu viele Besucher da, sogar deutlich weniger, als Mike erwartet hatte.
Stefan fuhr sich genießerisch mit dem Handrücken über den Mund und schloss für einen Moment die Augen. »Und jetzt behaupte bloß, dass das Ganze nur ein Albtraum ist«, murmelte er.
»Wenn du darauf bestehst.« Mike trank ebenfalls einen großen Schluck. »Das Ganze ist nur ein Albtraum.«
»Du lügst.«
»Stimmt«, antwortete Mike. »Aber das wolltest du doch, oder?«
Stefan trank einen weiteren, noch gewaltigeren Schluck, mit dem er den einen Liter fassenden Pappbecher vor sich fast zur Hälfte leerte. Mike beschäftigte sich einen kurzen Moment mit der Frage, ob es gut war, bei diesen Temperaturen übermäßig viel zu trinken. Vermutlich. Aber genau wusste er es nicht.
»Ich weiß nicht genau, was ich will«, antwortete Stefan nach einer geraumen Weile leise und ohne ihn direkt anzusehen.
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»Vielleicht nur, dass es aufhört.«
»Das könnte es«, antwortete Mike auf die gleiche Art.
Stefan blinzelte. »Wie? Indem du mich kneifst und ich auf-wache?«
»Der Kerl ist nur hinter mir her«, sagte Mike ernst. »Ich glaube nicht, dass er etwas unternimmt, wenn du dich auf dein Bike schwingst und zum nächsten Flughafen fährst.« Er versuchte, die Landkarte vor seinem geistigen Auge entstehen zu lassen, aber alles, was er zustande brachte, war ein buntes Gekritzel, das irgendwie einem aus Rührei und Blut gebildeten zerfetztem Gesicht ähnelte. Trotzdem: »Wenn du dich beeilst, kannst du bis heute Abend Albuquerque in New Mexiko erreichen. Hat Albuquerque einen Flughafen?«
»Vermutlich«, sagte Stefan. Er schüttelte den Kopf. »Aber ich haue nicht ab.« Er wiederholte sein Kopfschütteln, diesmal mit noch mehr Nachdruck. »Wir haben die Geschichte zusammen angefangen, und wir bringen sie auch gemeinsam zu Ende.«
»Wir sind nicht die drei Musketiere«, antwortete Mike ernst.
»Allerhöchstens die Three Stooges. Das hier ist kein Spiel, weißt du? Wenn die Sache schief geht, ist es aus. Die Kerle sind hinter mir her, nic ht hinter euch.«
»Dieses kleine Geschenk war in meiner Satteltasche«, erinnerte Stefan ihn. Aber er klang nicht mehr ganz so überzeugt.
Mike gemahnte sich in Gedanken zur Mäßigung. Er hatte diesen Vorschlag zwar in vollem Ernst gemacht, schon aus dem schle chten Gewissen heraus, seine Freunde in Gefahr gebracht zu haben, aber tief im Innern wollte er es natürlich nicht wirklich. Wie in jedem Menschen steckte auch in ihm ein kleiner Märtyrer, dem es ein innerliches Bedürfnis war, sich für seine Freunde aufzuopfern. Das war vielleicht eine hübsche Idee für ein Buch oder irgendeine ausgedachte Geschichte, jedoch kaum für die Wirklichkeit. Ihm fielen ungefähr eine Million Dinge ein, die er lieber täte, als sich allein mit diesem ausgeflippten Indianerpärchen herumzuschlagen.
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Vor allem, da er seit der vergangenen Nacht wusste, dass dieses »Herumschlagen« durchaus wörtlich zu verstehen war.
Um ganz ehrlich zu sein: Er hatte diesen Vorschlag gemacht, damit Stefan ihn ablehnen konnte, genau wie Frank es getan hatte, aus keinem anderen Grund.
Wieder kam ihm das Schicksal zu Hilfe, diesmal in Gestalt von Frank, der hereinkam, bevor Stefan möglicherweise doch noch auf den Gedanken kommen konnte, sein großmütiges Angebot zu akzeptieren. Er stürzte sich, ohne ein Wort zu verlieren, auf den rotweißen Pappbecher Cola, den Mike (für die Kleinigkeit von fünf Dollar) für ihn erstanden hatte, und kippte seinen Inhalt in einem einzigen Zug fast zur Hälfte hinunter. Mike war sicher, dass er sich den Rest ohne zu Zögern über den Kopf geschüttet hätte, hätte der Becher irgendetwas anderes als klebrige Cola
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