Intruder 6
zu haben. »Wir sind alle erledigt. Da kommen wir nie wieder raus.«
»Doch, das kommen wir«, sagte Frank. »Wenn wir alle die Nerven behalten. Mike hat Recht, weißt du? Was passiert ist, ist nun mal passiert. Wir müssen das Beste daraus machen.«
Stefan spießte ihn mit Blicken regelrecht auf, erwiderte aber nichts.
Sie verbrachten einige Minuten in unbehaglichem Schweigen, bis die Kellnerin kam und ihre Bestellung brachte. Sowohl Frank als auch Stefan stocherten unlustig in ihrem Essen herum. Mike dagegen fiel mit regelrechtem Heißhunger über seine Mahlzeit her. Er brauchte fast eine Viertelstunde, um sie bis auf den letzten Krümel zu verzehren, und am Schluss begann sein Magen leicht zu revoltieren. Dennoch zwang er sich, weiterzuessen. Schließlich hatten sie einen anstrengenden Tag vor sich. Als er endlich fertig war, fragte Stefan: »Können wir jetzt fahren?«
Anstatt zu antworten, winkte Mike der Kellnerin und deutete auf seine leere Kaffeetasse. Sie kam an den Tisch, schenkte ihm nach und sah die beiden anderen fragend an, erntete aber nur ein ablehnendes Kopfschütteln. Die beiden Polizisten am Nebentisch standen auf, bezahlten ihre Rechnung und verließen das Lokal, ohne sich einmal umzusehen.
»Seht ihr?«, fragte Mike. »Es ist alles in Ordnung.«
»Ja, ganz wunderbar«, knurrte Stefan. »Besser könnte es gar nicht sein. Außer dass vielleicht schon der ganze Staat nach uns sucht.«
»Stefan«, sagte Frank leise, aber in fast beschwörendem Ton.
Stefan schüttelte wütend den Kopf. »Hör endlich auf, ja? Ist dir eigentlich klar, was dieser Irre getan hat?«
»Ja«, antwortete Frank. »Und es gefällt mir genauso wenig wie dir. Aber ich weiß auch, warum er es getan hat. Und du solltest es eigentlich auch wissen.«
Stefan setzte zu einer wütenden Antwort an, presste dann aber die Lippen zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammen und ballte die Fäuste auf dem Tisch.
»Also?«, fragte Mike. »Sind wir uns einig?«
Er hob die Hand, als Stefan antworten wollte.
»Ich kann dich verstehen. Ich fühle mich auch nicht besonders gut, weißt du? Und ich meine das jetzt ernst: Ich will euch nicht in irgendetwas hineinziehen. Wenn du willst, dann steige ich jetzt allein auf mein Motorrad und fahre los - oder ich warte hier, bis ihr eine halbe Stunde Vorsprung habt, was euch lieber ist.«
»Blödsinn«, entschied Frank.
Mike schüttelte energisch den Kopf. »Ich meine es ernst«, wiederholte er. »Ich bin euch nicht böse. Ich kann verstehen, wie ihr euch fühlt. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel. Ich habe uns den Mist eingebrockt, und ich werde die Suppe auch allein auslöffeln, wenn es sein muss. Ich könnte es euch nicht übel nehmen, wenn ihr euch anders entscheidet.«
»Unsinn!«, sagte Frank noch einmal. Aber es klang nicht ganz so überzeugt. Stefan enthielt sich jeden Kommentars.
»Also gut«, sagte Mike. Er stand auf. »Ich gehe noch einmal auf die Toilette und kühle meine Hand. Wenn ich zurück bin, fahren wir los. Entweder gemeinsam oder getrennt. Die Entscheidung überlasse ich euch. Aber ich möchte keine weiteren Diskussionen mehr. Wenn wir überhaupt eine Chance haben, heil aus der Geschichte herauszukommen, dann nur, wenn wir jetzt die Nerven behalten und unterwegs keiner aus der Reihe tanzt.«
Er gab den beiden keine Gelegenheit zu antworten, sondern drehte sich rasch um und ging mit schnellen Schritten zur Toilette.
Erleichtert atmete er auf, während er die Hand erneut unter den kalten Wasserstrahl hielt. Das Gefühl der Euphorie, das für eine Weile von ihm Besitz ergriffen hatte, war verflogen. Er spielte ein gewagtes Spiel, und es war noch nicht vorbei. Das würde es erst sein, wenn sie im Flugzeug saßen und Richtung Europa abgehoben hatten. Bis dahin konnte noch viel passieren. Zwar schien er den Wendigo für den Augenblick besiegt zu haben, aber er wusste, wie trügerisch dieser Schluss sein konnte.
Ob nun grässliche Realität oder nur Ausgeburt seiner eigenen Fantasie - der Dämon war da, und Mike musste vor ihm auf der Hut sein, vielleicht gerade wenn es sich um ein Ungeheuer handelte, das er selbst geschaffen hatte.
Frank und Stefan waren noch da, als er zurück in den Gastraum kam. Stefan stand an der Kasse und bezahlte gerade nervös die Rechnung, während Frank mit der jungen Kellnerin sprach, die sie bedient hatte. Als er Mike bemerkte, bedankte er sich mit einem Kopfnicken und kam mit schnellen Schritten auf ihn zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte
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