Intruder 6
Foyer«, murmelte er.
»Sind wir auch.« Frank hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrü-
cken. »Der Unterschied zwischen Hotels und Spielcasinos ist hier nicht so groß, weißt du?«
»Aber ...«
»Deshalb sind die Zimmer auch relativ preiswert«, fuhr Frank fort. Er war schon mehrmals in Las Vegas gewesen und sichtlich froh, über etwas anderes als ihren zurückliegenden Horrortrip reden zu können. »Selbst in so einem Nobelschup-pen wie diesem kommt man günstig unter. Damit wollen sie die Touristen animieren, ihr Geld in die Automaten zu schmei-
ßen, statt es in den einfacheren Hotels Downtown aus-zugeben.«
Das klang einleuchtend, aber Mike war viel zu erschöpft und müde, um darüber nachzudenken. Er fühlte sich noch immer schwindelig. Außerdem war da noch Stefan, der ihr Gespräch ziemlich ungehalten unterbrach.
»Ich dachte, wir wollen ins Zimmer?«, nörgelte er. Frank schenkte ihm einen ärgerlichen Blick, sagte aber noch immer nichts.
Der Empfang war größer, pompöser und mit mehr Personal ausgestattet, als Mike es jemals zuvor in einem Hotel erlebt hatte - und er war in vielen nicht gerade billigen Hotels gewesen. Die Bedienung war von ausgesuchter Höflichkeit. Der fehlende Hotelgutschein erwies sich als kleines, aber nicht unüberwindliches Hindernis, nachdem Frank die Sachlage erklärt hatte (wobei er natürlich verschwieg, wie die Reiseun-terlagen wirklich verloren gegangen waren) und Mike seine goldene Kreditkarte als Pfand hinterlegt hatte.
Sie wurden ohne weitere Umstände zum Aufzug begleitet und fuhren in die fünfzehnte Etage hinauf, wo sie ein junges Mädchen in einer bunten Fantasieuniform in ihr Zimmer führte
- das sich als ausgewachsene Suite entpuppte, aus deren Panoramafenster man einen überwältigenden Blick über die gesamte Stadt hatte. Mike war im Moment nicht unbedingt danach, die schöne Aussicht zu genießen, aber er ging trotzdem zum Fenster und sah hinaus. Er hörte, wie Frank dem Mädchen ein Trinkgeld gab und dann die Tür schloss. Vielleicht wäre jetzt der richtige Moment gewesen, dem grausamen Spiel ein Ende zu machen und den beiden die Wahrheit zu sagen.
Vielleicht war der richtige Moment aber auch schon längst vorbei. Wahrscheinlich würde er es mit jeder Sekunde, die er ohne Erklärung verstreichen ließ, nur noch schlimmer machen.
Er konnte sich ungefähr vorstellen, wie Frank - und vor allem Stefan - auf seine Eröffnung reagieren würden, und er wusste, dass er im Augenblick einfach nicht die Kraft hatte, die Nach-folgediskussion durchzustehen. Eine Viertelstunde, dachte er, vielleicht auch eine halbe. Es geschah den beiden ganz recht, wenn er sie ein bisschen im eigenen Saft schmoren ließ. Er brauchte dringend eine kleine Verschnaufpause. Eine heiße Dusche, vielleicht zehn Minuten Ruhe.
Er drehte sich langsam vom Fenster weg, zog seine Lederjacke aus und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Dann betrachtete er eingehend seine Hand. Sie sah schlimm aus; schlimmer, als sie sich anfühlte. Der Anblick erschreckte ihn ein wenig und bestärkte ihn in seiner Überzeugung, seinen beiden Freunden durchaus noch eine halbe Stunde Nervenkitzel gönnen zu dürfen.
»Und jetzt?«, fragte Stefan, ohne ihn anzusehen, aber in ganz eindeutigem Tonfall.
»Jetzt machen wir erst einmal gar nichts«, antwortete Frank.
»Ich schlage vor, wir genehmigen uns alle eine Stunde, um unsere Nerven zu beruhigen und wieder zu Kräften zu kommen. Danach sollte einer von uns zum Flughafen fahren und Tickets besorgen.«
»Ohne mich«, sagte Stefan. »Ich denke nicht daran, mich noch tiefer in die Scheiße hineinzureiten.«
»Kein Problem.« Frank seufzte. »Ich erledige das.« Er drehte sich zu Mike um. »Alles in Ordnung?«
»Es geht schon.« Mike senkte hastig die schmerzende Hand, entschuldigte sich und ging mit schnellen Schritten ins Bad. Er hatte keine Lust, sich schon wieder bemuttern zu lassen.
Das Bad war so groß und pompös eingerichtet wie der Rest der Suite. Mike hatte fast ein schlechtes Gewissen dabei, seine Kleider einfach achtlos auf den Boden zu werfen.
Während er nackt vor der Dusche stand und mit der unve rletzten linken Hand ungeschickt versuchte, eine angenehme Wassertemperatur einzustellen, konnte er Franks und Stefans Stimmen durch die geschlossene Tür hören. Er verstand die Worte nicht, aber es war klar, dass die beiden sich schon wieder stritten. Die Erkenntnis bedrückte ihn. Jetzt, wo sie es geschafft hatten (um ehrlich zu sein: Jetzt, wo er
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