Intruder 6
erlebt.
»Freiheitsberaubung? Bei Ihnen zu Hause vielleicht.« Jennings ließ sich nicht einschüchtern. »Hier bei uns habe ich das Recht, Sie achtundvierzig Stunden lang festzuhalten, ob mit oder ohne richterlichem Haftbefehl. Im Moment bin ich eher geneigt, darauf zu verzichten - schon weil unsere Arrestzellen ohnehin aus allen Nähten platzen. Aber ich könnte es mir durchaus noch einmal überlegen.«
Frank und der farbige Polizist stritten noch eine kurze Weile, aber schließlich gab Frank auf und willigte wütend ein, dass sie von einem von Jennings’ Streifenbeamten zurückgefahren wurden. Stefan saß die ganze Zeit auf seinem Stuhl neben dem Fenster und blickte überallhin, nur nicht in ihre Richtung. Er wirkte sehr nervös und auf eine Art niedergeschlagen, die es Mike fast unmöglich machte, irgendein anderes Gefühl als Mitleid für ihn zu empfinden. Und Enttäuschung, ein Gefühl des Verletztseins, dessen wahre Tiefe er bisher noch gar nicht erfasst hatte. Zorn? Nein, zornig war er nicht. Er wünschte sich, er hätte wütend werden können. Das hätte es vielleicht leichter gemacht. Für sie beide.
Als sie das Büro verließen, ertappte Mike sich dabei, automatisch nach einem alten Indianer mit weißem Haar und zerfurch-tem Gesicht Ausschau zu halten. Natürlich war er nicht da.
Dafür stellte Strong sich ihnen in den Weg.
»Ich wollte Ihnen nur noch einmal sagen, dass ...«, begann er.
»Jetzt nicht«, unterbrach ihn Mike. »Bitte!«
Strong blinzelte verlegen. Er war immer noch so groß wie gestern und trug immer noch seine Rockerkleidung, aber er sah mit einem Male gar nicht mehr Furcht einflößend oder beeindruckend aus. Verlegen wie ein Schuljunge, trat er von einem Bein auf das andere und wusste nicht, wohin mit seinen Händen, geschweige denn mit seinem Blick. Er schien mitbekommen zu haben, dass ihr kleiner Scherz gründlich nach hinten losgegangen war. Womöglich machte er sich auch Sorgen wegen Jennings. Der Detective hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich noch einmal und eingehender mit ihm und seiner »Geschäftsidee« befassen würde. Mike gönnte es ihm.
»Ich will Ihnen nicht auf die Nerven gehen, aber es ist wirklich wichtig«, sagte Strong. »Ich meine: Ich kann mich doch darauf verlassen, dass Sie der Polizei gegenüber bestätigen werden, dass das alles Ihre Idee war, oder? Sie müssen mich verstehen. Es ist ...«
»Nicht jetzt«, sagte Frank scharf. »Das ist nun wirklich nicht der richtige Moment.« Er schien noch deutlich unangenehmere Worte sagen zu wollen, brach dann aber ab und zwang sich sichtlich zur Ruhe. »Sie haben es ja gehört: Wir werden so oder so noch ein paar Tage hier bleiben. Kommen Sie heute Abend ins Hotel. Oder besser morgen. Keine Sorge, irgendwie regeln wir das schon.«
Strongs Gesichtsausdruck nach zu urteilen, zweifelte er daran.
Und Frank ging es wohl nicht anders. Aber auch das war Mike vollkommen egal. Er drängelte sich grob an dem Stuntman vorbei und stürmte so schnell los, dass der Cop, der sie ins Hotel zurückbringen sollte, alle Mühe hatte, ihn einzuholen, bevor sie das Gebäude verließen.
*
Schon im Hotel wartete die nächste, böse Überraschung auf sie: Ihre Zimmerschlüssel passten nicht mehr. Frank schob die scheckkartengroße Plastikkarte vier- oder fünfmal in den Eingabeschlitz an der Tür, doch das winzige Lichtchen darüber weigerte sich, grün zu werden. Die Tür blieb verschlossen.
Schließlich verlangte er nach Mikes und Stefans Karten und probierte sie hintereinander aus, mit dem gleichen Ergebnis.
Sie gaben auf und fuhren mit dem Aufzug hinunter in die Lobby, um dort zu erfahren, dass man ihre Zimmerreservierung storniert hatte.
»Na wunderbar«, knurrte Frank. »Das hat gerade noch ge-fehlt! Und was machen wir jetzt?«
»Warum fragst du mich das?«, erwiderte Mike. »Ich habe die Polizei nicht gerufen!«
Die Worte taten ihm schon Leid, noch während er sie aus-sprach. Ihre Wirkung war natürlich genau die, die er hätte voraussehen können: Stefan fuhr sichtlich zusammen, sah ihn kurz und ebenso verstört wie wütend an und drehte sich dann auf dem Absatz um.
»Ich warte an der Bar auf euch«, brummte er.
»Ganz wunderbar«, murrte Frank und sah ihm stirnrunzelnd nach. »Bleibt immer noch meine Frage: Was machen wir jetzt?«
»Es wird ja wohl möglich sein, irgendwo in Las Vegas ein Hotelzimmer zu finden«, antwortete Mike.
»Das ist mit Sicherheit kein Problem«, sagte eine Stimme hinter ihm. Mike
Weitere Kostenlose Bücher