Intruder 6
habe, wenn ich ehrlich sein soll. Und ich gebe Ihnen mein Wort, selbst wenn sie stimmt: Ich werde Ihren Freunden das Handwerk legen. Ist Ihnen denn nicht klar, was alles hätte passieren können?«
»Doch, mittlerweile schon«, gab Frank zu. »Und glauben Sie mir, ich bedauere es sehr.«
»Damit allein wird es nicht getan sein, fürchte ich«, erwiderte Jennings. »So oder so werden Sie noch ein paar Stunden unsere Gäste sein. Ich lasse Sie holen, sobald ich weitere Information besitze.«
»Können wir ... einen Moment allein miteinander sprechen?«, fragte Frank.
Jennings schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das geht nicht.
Aber ich lasse Sie in bequemere Zellen bringen. Und ich rufe einen Arzt für Ihren Freund.«
»Ich brauche keinen Arzt«, protestierte Mike.
»Und ich brauche keinen geldgeilen Rechtsanwalt, der mich und das Department und vielleicht die ganze Stadt auf zehn Millionen Dollar Schadenersatz verklagt, wenn Sie es sich später doch noch anders überlegen«, erwiderte Jennings.
»Außerdem sieht Ihre Hand nicht gut aus. Glauben Sie mir, ich kenne mich mit solchen Verletzungen aus.«
Mike widersprach nicht mehr. Nun war ihm alles egal. Seine Hand schmerzte schlimmer denn je, und auch sein Herz brachte sich wieder unangenehm in Erinnerung. Aber nichts davon schien von Bedeutung zu sein. Er fühlte sich ... betäubt. Er versuchte vergeblich, irgendetwas in sich zu finden: Zorn auf Stefan, Wut. Nichts von alledem war da. Nur Enttäuschung -
und das war im Augenblick vielleicht das schlimmstmögliche Gefühl von allen.
Stefan wich seinem Blick weiter aus, bis die Tür geöffnet wurde und zwei Beamte kamen, um sie abzuholen.
*
Der Arzt kam schon nach zehn Minuten. Er stellte Mike ein paar knappe Fragen, die dieser allesamt ignorierte. Schließlich kümmerte er sich schweigend und sehr professionell um die verletzte Hand. Mike sah nicht einmal hin.
Es verging noch einmal eine ganze Weile, bevor er wieder aus der Zelle geholt und zu Jennings gebracht wurde. Diesmal kam ihm das Büro nicht mehr so groß vor wie beim ersten Mal, was daran lag, dass sich jetzt wesentlich mehr Menschen darin aufhielten. Abgesehen vo n ihm selbst, Frank und Stefan, waren auch Strong, der angebliche Bannermann und sein Deputy anwesend. Die Indianer waren nicht gekommen. Stattdessen sah er einen elegant gekleideten Mann um die vierzig, der abwechselnd mit leiser Stimme mit Frank und mit deutlich lauterer und schärferer Stimme mit Jennings sprach.
»Da bist du ja.« Frank klang erleichtert, als er Mike entdeckte. »Es ist alles in Ordnung. Jennings glaubt uns jetzt. Wir können gehen.«
»Nicht ganz so schnell«, sagte Jennings. »Da sind noch zwei, drei Punkte ...«
»Die Sie mit unserem Anwalt klären können«, unterbrach ihn Frank.
Mike runzelte die Stirn. »Unser Anwalt?«
»Mister Wings, hier.« Frank deutete auf den elegant gekleideten Mittvierziger. »Ich habe es für besser gehalten, einen Anwalt hinzuzuziehen.«
»Warum, wenn wir unschuldig sind?«, fragte Mike.
»Weil wir unsere Unschuld beweisen müssen.« Frank hob die Schultern. »Aber wenn du ein oder zwei Wochen Zeit hast und eine Gefängniszelle dem Bally's vorziehst ...«
Er drehte sich kurz zu Wings um, wechselte ein paar Worte auf Englisch mit ihm und wandte sich dann wieder an Mike.
»Wie geht es dir?«
»Du meinst das hier?« Mike blickte auf seine dick verbunde-ne Hand. »Sie ist nicht gebrochen. Nur verstaucht.«
»Nein, das habe ich nicht gemeint«, sagte Frank.
»Ich weiß.« Mike trat demonstrativ an Frank vorbei und blieb erst einen halben Schritt vor Jennings’ Schreibtisch stehen.
»Gibt es noch irgendeinen Grund, uns hier festzuhalten? Ich bin sehr müde. Und sehr erschöpft. Ich würde gern ins Hotel zurückkehren.«
Jennings musterte ihn finster. Mike wusste nicht, was der Anwalt ihm gesagt hatte, aber es war wahrscheinlich recht deutlich gewesen. »Ich lasse Sie von einem Streifenwagen ins Hotel zurückbringen.«
»Ein Taxi wird reichen«, meinte Frank rasch.
»Ich muss darauf bestehen«, beharrte Jennings. »Einer meiner Beamten wird Sie in Ihr Hotel zurückbringen, keine Diskussion. Und ich muss Sie auch bitten, die Stadt nicht zu verlassen und sich weiterhin zu unserer Verfügung zu halten - zumindest, bis die Ange legenheit endgültig geklärt ist.«
»Das könnte man als Freiheitsberaubung auslegen.« Franks Stimme zitterte. Mike hatte ihn selten zuvor so unverhohlen aggressiv und wütend zugleich
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