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Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte.
    »Du kannst mir keine Angst mehr machen«, wiederholte Mike noch einmal. »Ich weiß jetzt, wer du bist. Du kannst nicht mehr mit mir spielen.«
    Bist du da so sicher, weißer Mann?, flüsterte die lautlose Stimme des Wendigo in seinen Gedanken.
    »Ja«, sagte Mike. Er war fast ein wenig erstaunt über die Festigkeit seiner Stimme. Er empfand dieselbe Festigkeit in sich selbst, einen Mut, der ihm völlig fremd war und dessen er sich trotzdem ganz selbstverständlich bediente. Mit einem Male war alles so klar.
    Fühl dich nicht zu sicher, weißer Mann, warnte der Wendigo.
    Die Wellenbewegung, die sein Gesicht verzerrte, wurde stärker, gleichzeitig schienen seinen Züge zu verblassen.
    »Ich weiß, wer du bist«, sagte Mike noch einmal. Er lachte.
    »Ich kenne deinen wirklichen Namen, und damit ist deine Macht über mich gebrochen. Ich werde nie wieder Angst vor dir haben.«
    Der Wendigo verschwand. Es geschah völlig unspektakulär.
    Die Erde tat sich nicht auf, um ihn zu verschlingen, kein Feuer regnete vom Himmel, kein Donner grollte, keine hohle Stimme flüsterte unsagbare Drohungen - das Geistergesicht auf dem Spiegel war einfach von einem Sekundenbruchteil auf den anderen nicht mehr da, und mit ihm verschwand das Gefühl einer uralten, unendlich bösen Gegenwart, die den Raum bisher ausgefüllt hatte.
    Mike starrte sein eigenes Spiegelbild noch eine geschlagene Minute lang an, dann wandte er sich um, verließ das Bad, stellte den Wecker und legte sich aufs Bett, um nicht nur auf der Stelle einzunicken, sondern auch zum ersten Mal seit einer Woche tief und erholsam durchzuschlafen.
    Pünktlich eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit schrill-te der Wecker. Schlaftrunken stand er auf, tappte ins Bad und schöpfte sich drei, vier Hand voll eiskalten Wassers ins Gesicht. Er sah nicht in den Spiegel. Sein Hals kratzte, und seine Hand pulsierte. Dennoch fühlte er sich so erfrischt wie schon lange nicht mehr. Ein wenig umständlich zog er sich an und brach dann zum Treffpunkt am Pool auf.
    Er fuhr mit dem Aufzug nach unten, radebrechte sich mit einer Hand voll englischer Worte zur Battle Bar durch und fand seine Erwartungen bestätigt: Was Frank vorhin als Pool bezeichnet hatte, war der künstliche See, der das Treasure Island von der Straße trennte; ein Becken von mindestens dreißig mal fünfzig Metern, das von künstlichen Felsen und nicht minder künstlichen Palmen eingerahmt wurde, obwohl es in Las Vegas weiß Gott heiß genug war, auch echte tropische Gewächse gedeihen zu lassen.
    Frank saß zusammen mit Strong und einem weiteren Mann, den Mike zumindest auf die Entfernung nicht erkannte, in einer der zahlreichen, durch dicke Glasscheiben zum Pool hin abgetrennten Nischen und winkte ihm gut gelaunt zu. Mike erwiderte die Geste flüchtig und arbeitete sich im Slalom zwischen den voll besetzten Tischen hindurch, wobei er um ein Haar ausgerutscht und der Länge nach hingefallen wäre. Die Terrasse war in Stufen angelegt, sodass man von jedem Tisch aus einen ungehinderten Blick auf die Wasserfläche hatte, und sie bestand aus spiegelglatt gebohnerten Eichenbohlen, um auch hier den Eindruck zu verstärken, dass sich die Gäste auf einem antiken Piratenschiff befanden.
    Frank deutete mit dem Bierglas in der rechten Hand auf einen von noch zwei freie n Stühlen. »Setz dich. Die Show fängt gleich an.« Er sah missbilligend auf die Uhr. »Hast du den Wecker nicht gestellt?«
    »Ich bin doch pünktlich, oder?«, antwortete Mike kurz ange-bunden. »Wo ist Stefan?«
    »Er wollte längst hier sein.« Frank winkte einer der Kellnerinnen und deutete mit der anderen Hand zuerst auf sein Bier, dann auf Mike. Die Kellnerin verstand.
    »Ich hoffe doch, Sie haben sich mittlerweile von dem Schrecken erholt«, begann Strong.
    »Es geht«, antwortete Mike grob. Er wies mit dem Kinn kurz auf den Fremden neben Strong, einen dunkelhaarigen Mann Mitte vierzig, der ihn aufmerksam, aber ohne wirkliches Interesse, musterte. »Wer ist das?«
    Frank runzelte die Stirn und sah ihn scharf an. Mikes bewusst unfreundlicher Ton war ihm keineswegs entgangen, und offensichtlich fand er nicht seine Zustimmung. Strong lächelte jedoch unerschütterlich weiter. »Mister Baker hier ist Rechtsanwalt. Ich hatte Ihnen ja versprochen, dass ich mich um alles kümmere.«
    »Anwalt?«
    Baker hob die linke Augenbraue, aber das war auch die einzige Reaktion auf den abfälligen Ton Mikes. Strong schien einen Moment auf eine einlenkende Reaktion zu

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