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Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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des Polizeibeamten. Der dumpfe, eklig klatschende Aufschlag brach endgültig den Bann, der sich über Mike gelegt hatte. Er schrie ebenfalls auf, so laut, dass er das Gefühl hatte, seine Stimm-bänder würden zerreißen, während Frank und Bannermann weiterhin einfach nur gelähmt vor Entsetzen dastanden und den zerfetzten Polizisten anstarrten.
    Nur Strong reagierte auf der Stelle und genau so, wie Mike es erwartet hätte, wäre er in der Lage gewesen, auch nur den Ansatz eines klaren Gedankens zu fassen: Er wirbelte mit einem wütenden Zischen herum, riss die Arme in die Höhe und stürzte sich ohne zu zögern auf den Angreifer. Noch bevor der Wendigo ganz auf die Füße gekommen war, hatte Strong ihn mit beiden Händen gepackt und vollends in die Höhe gerissen.
    Der Wendigo schleuderte ihn mit einer fast nachlässigen Bewegung zur Seite. Strong taumelte mit haltlos rudernden Armen zurück und fiel der Länge nach hin. Er schrie auf, eher erschrocken und wütend als wirklich vor Schmerz.
    Mit einer fast gemächlichen Bewegung drehte sich der Wendigo zu Mike und den anderen um. Trotz seines schweren Sturzes war er unverletzt. Selbst der gewaltige Federschmuck, der sein graues Haar krönte, war unversehrt. Seine Augen loderten vor bösem Triumph.
    Hast du wirklich geglaubt, es wäre so einfach, weißer Mann ?
    »Nein«, stammelte Mike. »Bitte. Das ... das ... bitte tu das nicht! Du kannst mich haben. Tu mit mir, was du willst, aber bitte lass sie leben. Tu mir das nicht an!«
    Er wusste, dass sein Flehen ungehört verhallen würde. Sein verzweifeltes Bitten gab dem höhnischen Triumph in den Augen des Dämons nur neue Nahrung, und die Bosheit darin flammte zu neuer und noch hellerer Glut auf.
    »Wer ... was ist das?«, stammelte Frank. Das Entsetzen, das in seiner Stimme mitschwang, machte Mike klar, dass er die Antwort bereits wusste. Aber wie hätte er diese Wahrheit akzeptieren können?
    Hast du wirklich gedacht, du könntest mich besiegen, Eindringling? Ein lautloses Lachen hallte hinter Mikes Schläfen wider. Ich habe ganze Völker ausgelöscht. Ich habe Kontinente verheert, nur um mir die Zeit zu vertreiben, und eine Welt erschaffen, nur um die Gebete meiner Anhänger zu erhören.
    Und du glaubst, du könntest mich besiegen?
    Für einen Moment wurde das unheimliche Wabern hinter dem Wendigo stärker. Die Wand, vor der er stand, verblasste.
    Mike spürte heißen, trockenen Wüstenwind auf seiner Haut und kniff die Augen gegen das grelle Licht einer erbarmungs-losen Sonne zusammen, die auf eine ausgeglühte rote Land-schaft hinunterschien. Irgendwo auf halbem Wege zwischen hier und dem unendlich weit entfernten, nie erreichbaren Horizont bewegten sich winzige Gestalten: Hunderte, vielleicht Tausende, vielleicht mehr. Es war das verschwundene Volk der Anasazi, das dem Ruf des Wendigo gefolgt war und sich auf den Weg in die andere Welt gemacht hatte; das zu spät begriffen hatte, dass es diese Welt nie erreichen und sein Weg niemals enden würde, weil es ebenso zu einem Spielzeug dieser uralten bösen Kreatur geworden war wie er, Mike, und seine Freunde. Das Bild erlosch, bevor Mike es in allen Einzelheiten erkennen konnte. Trotzdem brannte sich der Anblick unauslöschlich und für alle Zeiten in sein Gedächtnis ein. Was hatte der Wendigo gesagt: Hast du wirklich geglaubt, mich besiegen zu können?
    Neben dem Wendigo richtete sich Strong umständlich auf.
    Ein zerfetzter Kunststoffsplitter ragte aus seinem Oberarm, und er blutete aus mehreren, kleineren Schnittwunden im Gesicht und an den Händen. Trotzdem war er nicht besiegt. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, riss er den Splitter aus seinem Arm und schloss die Hand um das rasiermesserscharfe Kunst-stoffstück wie um einen Dolch. Mit einem wütenden Knurren warf er sich auf den Wendigo. Der Dämon versuchte, ihn erneut mit einer beiläufigen Bewegung zur Seite zu wischen, doch diesmal war Strong darauf vorbereitet. Mit einer unglaublich behänden Bewegung duckte er sich unter dem Arm des Wendigo hindurch und hackte gleichzeitig mit seiner improvi-sierten Messerklinge nach dessen Gesicht.
    Er traf. Der spitze Splitter zog eine blutige Furche durch das Haar des Indianers, zerriss seine Stirn und löschte auf seinem Weg zum Kinn hinab das linke Auge des Wendigo aus. Der Dämon taumelte mit einem überraschten Laut zurück. Seine Wange klaffte auseinander wie ein zweiter, blutiger Mund, hinter dem die Backenzähne zu einem höhnischen Grinsen gebleckt waren.

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